Von Dorsten nach Bahrein und Ende
Jin Jim im Dorstener LEO
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: PublicJazz events
Das letzte Konzert der Reihe FineArtJazz in Dorsten sollte zu einem denkwürdigen Abend werden. Die lange Begrüßungsansprache vom künstlerischen Leiter Bernd Zimmermann wurde zu einem Abgesang auf die freie Kultur. Kultur ist systemrelevant - und zur Kultur gehöre nun mal auch eine Konzertreihe wie FineArtJazz, die sich seit 2016 in Dorsten einem zufriedenen Stammpublikum erfreut hat. Erst freie Kulturschaffende geben einem „echten“ Kulturangebot in einer Stadt Substanz – und dazu gehören eben auch Angebote jenseits des „Mainstreams“, ebenso wie dass sich die künstlerische Qualität über einen lokalen Rahmen hinaus erheben muss. Kultur braucht Vielfalt, letztlich auch, um sich vom kommerziellen Unterhaltungsbetrieb abzugrenzen.
Gut gemeint ist nicht wirklich gut
Aber diese freie und vielfältige Kulturszene ist schon lange bedroht, wo Förderungen immer weiter reduziert werden, Sponsoren sich zurückziehen und die Kollateralschäden aufgrund der Corona-Maßnahmen immer noch weiter wirken. Zimmermann appellierte daran, Kultur als öffentliche Sache und daher auch auf kommunaler Ebene als Chefsache anzusehen: „Hier müssen die Kommunen, trotz einer problematischen Haushaltssituation helfen“. Gemeint ist nicht ausschließlich die finanzielle Unterstützung, sondern auch die tatkräftige Ausgestaltung der Rahmenbedingungen. Es gehe zum Beispiel um Unterstützung bei Werbeaktivitäten. Auch darum, vorhandene Spielstätten auch mal kostenlos zur Verfügung zu stellen, wenn eben künstlerisch hochwertige Angebote dem „weichen Standortfaktor“ in einer Stadt zugutekommen. In dieser Hinsicht haben sich die Macher der FineArtJazz-Reihe vor allem in letzter Zeit in Dorsten nicht mehr wertgeschätzt gefühlt. (nrwjazz hat hier ebenso wie die Tagespresse schon über Hintergründe berichtet). Beteuerungen wie „Wir schätzen Ihr Kulturangebot in Dorsten sehr“, wenn das Kind erstmal in den Brunnen gefallen ist, reichen da nicht.
Einfach mal die Konzerte selber erleben!
„Vielleicht wäre diese Wertschätzung erfolgt, wenn sich die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung in den letzten acht Jahren einmal selbst ein Bild von unserem Angebot gemacht hätten?“ warf Zimmermann eine naheliegende Frage auf. Manche Lokalpolitiker*innen, die über Geld und Hilfe entscheiden sollen, wissen oft gar nicht, was vor Ort abgeht. Bye Bye Dorsten – dann gibt es eben an anderen Orten hochkarätige Jazzkonzerte mit internationalen Künstlerinnen und Künstlern (die bei FineArtJazz aus bisher insgesamt 16 Nationen kamen). Schade ist dies vor allem für das Publikum, die die die Konzerte in der lauschigen Club-Atmosphäre im LEO vermissen werden. Schade auch um diese Spielstätte selbst, die von nun an vermutlich wieder ausschließlich „lokale“ Veranstaltungen anbieten wird.
Jin Jim sorgte für einen furios rockenden Abgesang
Welch hochwertiges, unterhaltsames Programm die Veranstalter von FineArtJazz im Dorstener LEO noch einmal auf die Bühne brachten, konnte das Publikum am vergangenen Samstag noch ein letztes Mal erleben: Die Band Jin Jim um den peruanischen Ausnahmeflötisten Daniel Manrique Smith präsentierte eine zeitgemäße Spielart von filigranem Jazzrock - auf jeden Fall eine Musik, die sich nicht als „Nische“ bezeichnen lässt und auch jeden Dorstener Rockfan (und vielleicht auch Stadtpolitiker) begeistert hätte. Ihre ausgefeilten Eigenkompositionen betörten das Publikum, eben weil Jin Jim kreativ, improvisierend und auf spieltechnisch berauschendem Level zu Werke gehen. Immer wieder stachelten sich die Musiker zu solistischen Höhenflügen an – sei es Daniel Manrique Smith mit seinen energetischen Flötensoli, zu denen er oft noch simultan beatboxte, oder Johann May mit seinen vielfältigen Klangkollagen auf der Gitarre und auch Nico Stallmann, ein echtes „Kraftwerk“ am Drumset mischte sich lustvoll solistisch ein. Für Zusammenhalt sorgte Bassist Ben Tai Trawinski. Leider gab es nur eine Zugabe, weil die Band sich bereits am frühen Sonntagmorgen zu einem Auftritt nach Bahrein (!) aufmachen musste.