Vollgepackt mit Emotionen
Kroke und Nigel Kennedy
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Christoph Giese
Der britische Humor, er kann so trocken und seltsam komisch sein. Nigel Kennedy hat diesen Humor perfekt drauf. Und im Laufe der zweieinhalb Stunden Nonstop-Musik im ausverkauften Konzerthaus packt er ihn immer öfter aus.
Beispiel gefällig? Was sei der Unterschied zwischen dem Kontrabass von Tomasz Lato und seiner Geige? Der Bass brenne länger! Die Geige tauge also nicht für den Winter, fügt Nigel Kennedy hinzu und lacht sich dabei schlapp.
Er ist eben ein Paradiesvogel, ein Exzentriker. Aber auch ein genialer Geiger, ein Musiker mit ganz offenem Visier und viel Neugier. Durch seine polnische Gattin Agnieszka (auch über diesen in Polen anscheinend nicht so seltenen Frauennamen macht Kennedy mehrfach seine Witzchen), mit der er in London und Krakau lebt, bekam er Kontakt zur Klezmerband Kroke aus Krakau. Seit Jahren spielen sie nun immer wieder zusammen, haben bereits 2003 das gemeinsame Album „East Meets West“ eingespielt.
Das bildet auch die Basis für den Dortmunder Auftritt. Zu hören sind Songs voller sehnsuchtsvoller, meist traditioneller, umarrangierter osteuropäischer Folkloremelodien, die als ostinate Schleifen langsam an Intensität gewinnen und so immer mehr das Gefühlszentrum des Zuhörers massieren. Songs, die zwar eine herrliche Melancholie verströmen, in denen zugleich aber auch Heiterkeit und Lebensfreude durchschimmern.
Eine Musik vollgepackt mit Emotionen - wie geschaffen für Nigel Kennedy. Der steht oft seitlich oder mit dem Rücken zum Publikum, um ganz engen Kontakt zu Akkordeonist Jerzy Bawol und vor allem Bratschist Tomasz Kukurba am rechten Bühnenrand zu haben. Gegenseitig hört man sich aufmerksam zu, schaukelt sich hoch, befeuert sich mit schnellen Bogenbewegungen.
Dann wird es richtig wild, lässt Nigel Kennedy die E-Geige laut, rockig und verzerrt wie eine E-Gitarre aufkreischen. Klezmer, der die Genregrenzen sprengt – Kroke alleine stehen schon immer dafür. Und mit Nigel Kennedy zusammen macht es den Polen sichtlich noch mehr Spaß, Klezmermusik auszudehnen.
Da ist ein feuriger Czárdás als erste von letztendlich mehreren stürmisch eingeforderten Zugaben auch nur ein Ausgangspunkt. Eine Startlinie für fast 20 minütige, ausufernde kollektive Improvisationen. Genau so großartig aber kurz danach ein ganz intimes Miteinander, „unplugged“. Kroke und Kennedy stecken die Köpfe eng zusammen und musizieren so zart und seelenvoll und dabei immer leiser werdend, bis ganz am Schluss nur noch das beruhigende Rauschen der Saallüftung wahrnehmbar bleibt.