Viel Seele, viel gute Musik
Funchal Jazz Festival 2019
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Renato Nunes
Funchal, 15.07.2019 │ Man konnte sich im Vorfeld vielleicht schon fragen wieso Festivaldirektor Paulo Barbosa den Sänger Gregory Porter schon wieder eingeladen hat. Trat der Amerikaner doch schon vor drei Jahren bei ihm auf. Nach dem Konzert hatte man plötzlich keine Fragen mehr. Denn man war ja dabei gewesen, bei einem sehr emotionalen Auftritt, bei einem Sänger, der die Seele der Zuhörer trifft mit seinen musikalischen Predigten. Der mit seinem weichen, warmen Bariton seine Songs zwischen Souljazz, Blues und Gospel mit Botschaften füllt und dabei auch an die denkt, denen es nicht so gut geht. Und dann hat Porter auch noch eine Band um sich geschart, die allerhöchsten Ansprüchen genügt. Tenorsaxofonist Tivon Pennicott, der das Emotionale in der Musik Porters noch mal dick unterstreicht in seinen Soloausflügen. Oder Chip Crawford, der alte Fuchs am Klavier, der genau weiß, welche Noten er spielen muss, um das Ganze ins rechte Licht zu rücken. Gregory Porter dieses Mal übrigens gleich am ersten Festivalabend, einem Donnerstag, auftreten zu lassen, war ein cleverer Schachzug. So voll hatte man den wahrlich nicht kleinen Santa Catarina-Park im Herzen Funchals bisher noch nicht erlebt zum Festivalauftakt.
Den gestaltete direkt vor Gregory Porter übrigens Saxofonist Ben Wendel mit seiner „Seasons Band“. Das „Seasons“-Projekt startete der Kanado-Amerikaner als Videoprojekt mit allen zwölf Monaten des Jahres gewidmeten Duetten. In luxuriöser Quintettbesetzung, mit Gitarrist GIlad Hekselmann, Pianist Aaron Parks, Bassist Matt Brewer und Drummer Kendrick Scott, gab es diese Songs jetzt auf Madeira zu hören. Und es sind die Interaktionen zwischen den Musikern, etwa Gitarre und Piano, die diese Band, die sich keineswegs in eine stilistische Ecke drängen lässt, auszeichnet. Der Bandleader lässt seinen Jungs viele Räume zur Entfaltung und setzt selbst dann immer wieder eigene markante Punkte.
Schon seit einiger Zeit gehört der junge João Barradas zu den spannenden neuen Stimmen des portugiesischen Jazz. Sein neuestes Projekt mit Vibrafon, Kontrabass, Schlagzeug und Gastsaxofonist (Ben van Gelder) hat der Akkordeonist „Portrait“ genannt – und es entwickelt beim Auftritt in Funchal eine Anziehungskraft, der man sich nur zu gerne hingibt. Oft klingt das Akkordeon durch den Einsatz von Elektronik gar nicht mehr wie eines und ist unterstützende Stimme in herrlich ineinandergreifenden Wellengängen von Melodien und Rhythmen der einzelnen Instrumente. Packend und frisch klingt das und bietet trotz Struktur auch Freiheiten.
Terence Blanchard spielte noch bei den Jazz Messengers von Art Blakey. Mit einem Tributkonzert an den lange schon verstorbenen Meisterdrummer schaute der Trompeter aus New Orleans mit seinem E-Collective, mit Schlagzeug-As Jeff „Tain“ Watts als Special Guest, auf Madeira vorbei. Blanchard leistet sich auf der Insel den Luxus, einen Kontra- und einen E-Bassisten in der Band zu beschäftigen, die abwechselnd oder gemeinsam auf der Bühne stehen und das Geschehen in die entsprechende Richtung lenken. Blanchards Blakey-Arrangements, eingebunden in die elektro-akustischen, mitunter wuchtigen, von verzerrter E-Trompete hoch gepushten Klangwelten des E-Collective, machen Spaß. Die Mischung zwischen Blakey- und E-Collective-Material stimmt. Und wie schön als Zugabe den Jazz Messengers-Klassiker „Moanin`“ zu hören.
Einen besseren Schluss-Act seines Festivals als Dianne Reeves hätte Paulo Barbosa am letzten der drei Abende kaum wählen können. Die Amerikanerin ist auch mit ihren über 60 Jahren stimmlich noch immer eine Wucht. Kraftvoll, emotional, soulful, geschickt zwischen den Genres singend, das kann die mit fünf Grammys dekorierte Amerikanerin wie kaum eine zweite Sängerin. Für ihren Auftritt auf Madeira hatte sie auch Brasilianisches, gesungen auf Portugiesisch, im Programm, sehr zur Freude des Publikums. Und ihre langjährige Band mit dem brasilianischen Gitarristen Romero Lubambo ist in jedem Augenblick mit der Sängerin auf der Höhe und sorgt auch ohne sie für einige memorable Momente. Wie überhaupt die 20. Ausgabe dieses Festivals in Erinnerung bleiben wird. Auch wenn das runde Jubiläum erstaunlicherweise so gar nicht herausgestellt wurde.