Viel mehr als Walander
6. Ystad Sweden Jazzfestival 2015
TEXT: Bernd Zimmermann | FOTO: Bernd Zimmermann
Sehnsüchtig schauten die Schweden in diesem Jahr auf das restliche Europa, denn der schwedische Sommer war über weite Strecken schlichtweg ausgefallen. Doch mit Beginn des 6. Ystad Sweden Jazzfestivals wurde es von Tag zu Tag besser.
Aber auch ohne Sonne hätte die Crew um Festival-Präsident Thomas Lantz und Künstlerischem Leiter Jan Lundgren gestrahlt, denn diesmal besuchten weit über 8.000 Besucher dieses immer noch junge Jazzfestival. Das Konzept ging also wieder auf. Große Namen kombiniert mit nationalen bzw. skandinavischen Jazzgrößen und Newcomern, dazu eine Prise für den Nachwuchs (wir berichteten). Zudem dominierten beim 6. Ystad Sweden Jazzfestival die Frauen das Geschehen auf den zahlreichen Bühnen der so sympathischen Kleinstadt. Da waren gleich 2 außergewöhnliche Formationen zu hören, die speziell und nur für dieses Festival zusammengekommen waren. "Worlds around" u.a. mit Tineke Postma, Karin Hammar, Sandra Hempel und Linda Oh wirkten auf der großen Bühne des Ystad Theater in Probenaufstellung zwar recht steif, bei geschlossenen Augen war da aber ganz viel Virtuosität und Kreativität zu hören. Ganz anders das "Sofia Projekt" von Nicole Johänntgen im altehrwürdigen Hotel Continental Du Sud. Frisch, lebendig, dem Publikum zugewandt, präsentierten die 7 jungen Frauen aus 7 Ländern ihre Eigenkompositionen.
Und da war noch ein von Frauen dominiertes Konzert im Ystad Saltsjöbad. Dort hatte Nils Landgren, Rigmor Gustafson, Ida Sand, Eva Kruse und die beiden talentierten schwedischen Schwestern Karolina (sax) und Malin Almgren (dr) zu einem gemeinsamen musikalischen Treffen eingeladen.
Grund für die vielen in diesem Jahr am Programm beteiligten Frauen war die anhaltende Diskussion mit öffentlichen Stellen und der schwedischen Presse über die Umsetzung des von der EU initiierten Antidiskriminierungsgesetzes. Ohne die künstlerischen Leistungen der genannten Protagonisten schmälern zu wollen, stellt sich aber doch die Frage, was das im künstlerischen Raum so zu suchen hat.
TOPPS
Herausragend, mitreißend, phantastisch waren die Konzerte mit Marius Neset's "Pinball" sowie das Konzert mit Kenny Barron & Dave Holland. Marius Neset der norwegische Ausnahme-Saxophonist bestritt gemeinsam mit Ivo Neame (p), Jim Hart (vibes), Petter Eldh (b) und Anton Eger (dr) ein atemberaubendes Konzert, hochenergetisch und im wahrsten Sinne des Wortes atemberaubend.
Ähnlich, aber gelassener, Kenny Barron und Dave Holland. Diese beiden Urgesteine des globalen Jazz demonstrierten zum Abschluss des Festivals, was Jazz mit Leben zu tun hat. Kenny Barron schien bei seinem Pianospiel die Tasten des Flügels gar nicht zu berühren, Akkorde und Harmonien schienen aus seinen Fingern zu fließen. Dave Holland brillierte mit mitreißenden, melodischen Soli. Jazz in Vollendung.
Auch "Bossa Negra" mit Hamilton de Holanda und Diogo Nogueira wussten zu überzeugen. Der brasilianische Meister des Choro-Jazz verzückte das Publikum mit unaufgeregten, weichen Melodien und Rhythmen, die sich unmerklich ganz tief in Herz und Beine schleichen.
Gänzlich überzeugt - wie sollte es auch anders sein - hat die Lars Danielsson Group (Lars Danielsson (b), Magnus Öström (dr) Gregory Privat (p), John Paricelli), die auf dem Ystad Sweden Jazzfestival durch Mathias Eick verstärkt wurden. Spielfreudig und gut gelaunt präsentierten sie Libretto 2.
FLOPPS
Da war zum Beispiel das Robert Glasper Trio, bei dem Glasper's all zuvieler Klamauk das wirkliche Können des Ausnahme-Trios untergehen ließ. Nur Damion Reid an den Drums wusste zu überzeugen, obwohl er durch die irgendwann nicht mehr so witzigen Einlagen Glaspers genervt wirkte. Auch Richard Bona zeigte bei seinem Konzert nur selten, welch grandioser Bassist in ihm steckt und konzentrierte sich bei seiner Show mehr auf seine Stimme.
Top of the Flops aber war das zur Prime Time als Golden Concert im Ystad Theater angekündigte Konzert von Dhafer Youssef. Wenig abwechslungsreich die Stücke, mit immer gleichen Vokaleinlagen seiner, ohne Frage außergewöhnlichen Stimme. Zudem lenkte er mit viel Mätzchen meist von den glänzend gespielten Soli seiner Sideman ab. Mit seinem Spiel auf der Oud blieb er im Vergleich dazu weit zurück.
Es kann bei einem Festival nicht immer alles gelingen und es liegt auch nicht an den Verantwortlichen, wenn das ein oder andere Konzert mal daneben geht. Wichtig ist das Ganze und das war auch in diesem Jahr in Ystad wieder mehr als die Summe einzelner Präsentationen. Das Ystad Jazzfestival ist mittlerweile, dank des unermüdlichen Einsatzes aller Beteiligten, zweifellos zu einer Marke dieses südschwedischen Städtchen und der europäischen Jazzlandschaft geworden.