Viel Alpenländisches bei der JazzNight
18. Hildener Jazztage 2013
TEXT: Vera Marzinski | FOTO: Vera Marzinski
„S’Deandl vom Wintergrea“ oder ein „Andachtsjodler“ zur „International Jazznight“ der Hildener Jazztage? Nein, die Gäste in der Stadthalle waren nicht irrtümlicherweise beim Musikantenstadtl – die Band „Six, Alps & Jazz“ bewies spielerisch, dass Volksmusik auch Jazz und Jazz auch Volksmusik ist.
Sehr amüsant die Erläuterungen zu den Stücken von Bandleader Matthias Schriefl. So stammt aus seiner unbeschwerten Jugend im Allgäu – „wo man auf Bäume kletterte und jodelte“, wie er verschmitzt erzählt - das „Bald ischs halb simmne“. Um halb sieben war es mit der Unbekümmertheit vorbei. Da gab es die abendliche Brotzeit. Musikalisch setzen die acht Musiker von „Six, Alps & Jazz“ das grandios um. Da kommt die Piccoloflöte mit einer heiteren Leichtigkeit daher und das Fagott stimmt dazu ein. Und schon wird das Ganze zu einem volkstümlichen Marsch, bevor Schriefl ganz filigran ein Trompeten-Solo einfügt. Sie sind die „perfekte Brotzeit für offene Ohren und eine musikalische Seele“. Mannigfache Holz- und Blechblasinstrumente nutzen sie, um in farbenreichen Eigenkompositionen und Arrangements der Genres Jazz und Volksmusik zu vermischen.
Seit 2009 existiert die Formation, die mit schrägen Einfällen – wie ein Hühnergegacker, Hundegebell und ZIegengemecker als Intro zu „Luschtig, Luschtig“ – und brillanten Spiel das Publikum in den Bann zieht und überzeugt. Alle Musiker sind Multiinstrumentalisten. Kontrabassist Alex Morsey spielt außerdem Tuba und Sousaphon. Wiggerl Himpsel nicht nur Horn und Percussion sondern zudem noch – gemeinsam mit Matthias Schriefl – das Alphorn zur „Schädelwehpolka“. Teilweise werden aber auch türkische Volkslieder, wie das „Üsküdara gideriken“ aufgegriffen sowie rhythmische und melodische Elemente aus Afrika und dem Himalaya. Matthias Schriefl wurde als Elfjähriger Bundessieger bei Jugend musiziert, im Alter von 15 Jahren war er das jeweils jüngste Mitglied im Landesjugendjazzorchester Bayern und im Bundesjazzorchester. Die ruppig-krude Mischung der Sounds und Stile ist Schriefls Markenzeichen. Und genau das setzt er auch mit „Six, Alps & Jazz“ in hervorragender Weise um.
Was kann solch ein Alpen-Jazz-Spektakel noch toppen? Danach eine Big Band – das lässt viel Swing mit einem großen Tanzorchester vermuten. Aber nicht mit JBBG, der „Jazz Bigband Graz“. Das ist ein Orchester mit einer ganz anderen Dimension. Eine völlig andere Soundästhetik! Die international hochkarätig besetzte JBBG vereint einige der profiliertesten und mittlerweile preisgekrönten europäischen Musiker. Angefangen bei den beiden künstlerischen Leitern: Saxofonist/Flötist Heinrich von Kalnein und Trompeter/Sänger Horst-Michael Schaffer, die seit zehn Jahren für den grandiosen Sound verantwortlich sind. Grossorchestraler Charakter, mit Einflüssen klassischer Kompositionskunst, die gepaart sind mit Minimal Music, Rockelementen und viel Elektronik. Und nicht nur das beeindruckt. Das ganze wird nicht nur akustisch sondern auch optisch zu einer ganz besonderen Vision. Denn die Visual Artists OchoReSotto ließ das Konzert zu einem multimedialen Erlebnis werden.
Dennoch stehen sie in einer klassischen Big Band Besetzung mit vier Trompeten, vier Posaunen, fünf Saxophonen und Rhythmusgruppe – die die Grundstruktur der Jazz Big Band Graz bilden – auf der Bühne. Ein besonderes Erlebnis sind die Soli. Die JBBG begibt sich mit ihrem Programm „Urban Folktales“ in die Welt hinaus und macht am Ende auch vor dem Weltraum nicht halt. Wer weiß schon, wo die Reise hingeht? Beim „Spacetrip“ mit Keyboarder Uli Rennert fühlt sich der Zuhörer wie in einer Weltraumstation. Dazu dann auf der Leinwand hinter dem Orchester eine Planetenkugel, die immer näher kommt. Die Drehleier von Matthias Loibner und die sphärischen Zischlaute der Bläser-Fraktion entführen ebenso in diese anderen Welten. Enterprise, Star Trek – Musik zum Abheben. So heißt auch ein Stück passenderweise „Seelenbaumeln“. Mit Hochspannung spielt Drummer Gregor Hilbe bei „High Voltage“ sehr definiert und prägnant auf seinem Instrument – voll konzentriert. In „Rêve Africain“ wird das Programm immer mehr zu einem globalen Projekt und durch das Saxophon-Solo von Johannes Enders noch glänzender. Ganz besonders auch das Solo am Kontrobass zu „Coming home“ von Valentin Czihak, der vollkommen in der Musik versinkt. Brillant Trompeter Horst-Michael Schaffer mit der Zugabe „Fly me away“,
Zwei grandiose Acts in der Stadthalle – da wollte noch keiner so schnell nach Hause gehen. Im Foyer groovte „Simply Soleil“ zur „Grooveparty“. Sängerin Soleil Niklasson kommt aus Chicago und hat viel, viel Soul in der Stimme. „Slow down“ geht da mal sofort in die Beine und genau das will sie auch: „Ich will Euch alle in Bewegung sehen!“ Das „If I could“ hat sie ihrer 25jährigen Tochter gewidmet und ob „Don’t come easy“ oder „The last day“ – diese Band mit dem herausragenden Trompeter Florian Esch und der Sängerin mit der samtweichen und doch durchdringenden Soulstimme ist perfekt für so eine „Grooveparty“ zum Abschluss des jazzigen Samstagabends.