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Vertraute Gesichter und Rituale

JazzBaltica 2012

Niendorf, 07.07.2012
TEXT: Bernd Zimmermann | FOTO: Bernd Zimmermann

Vertraute Gesichter und vertraute Rituale begegnetem dem Jazzfan am letzten Wochenende im Juni in Niendorf bei Lübeck auf dem "neuen" JazzBaltica-Festival. Und genauso wie das letzte Festival in Salzau geendet hatte, begann das neue. Mit Starkregen und einem deftigen Gewitter. Der Bogen war also geschlagen.

Wie schon oft berichtet meinte das Land Schleswig-Holstein aus Kostengründen das Kulturzentrum Salzau bei Kiel, das 21 Jahre lang die Heimstatt des renommierten JazzBaltica-Festivals war, aufgeben zu müssen. Und wer noch ein letztes Fünkchen Hoffnung hatte, dass dieses, über die Landesgrenzen hinweg strahlende Festival eines Tages doch noch nach Salzau zurückkehrt, konnte zu Pfingsten diese Hoffnung begraben, denn an diesem Wochenende brannte die Scheune, in der früher die Konzerte in Salzau stattfanden bis auf die Grundmauern ab. „Honi soit qui mal y pense“.

Zur Freunde der in Schleswig-Holstein nicht gerade mit einem reichhaltigen Jazzangebot gesegneten Jazzliebhaber konnte im Dezember letzten Jahres im Hafen von Niendorf , einem kleinen Städtchen an der Ostseeküste, ca. 20 Kilometer westlich von Lübeck gelegen, ein neuer Veranstaltungsort und zugleich mit Nils Landgren ein neuer künstlerischer Leiter gefunden werden. So war alles für einen Neuanfang bereitet.

Machen wir's kurz. Niendorf ist anders und trotzdem gibt es Vertrautes. Die Tradition des "Schlange stehens", um die besten Plätze zu ergattern lebte sofort wieder auf. Ebenso die Schlangen am Würstchen- und Getränkestand. Anders der Spielort: Im Gegensatz zur gemütlichen Scheune in Salzau eine nackte Werfthalle, Statt Wiesen Pflaster und Strand.

Eröffnet wurde das Festival traditionell durch das legendäre JazzBaltica-Ensemble. In diesem Jahr ohne künstlerische Leitung, sondern als Kollektiv. Die meisten des 14-köpfigen Ensembles steuerten Stücke bei, lieferten beeindruckende Arrangements und Solis ab und faszinierten das Publikum durch ein wunderbar harmonisches Miteinander. Diese Neuheit hat sich eindeutig bewehrt.

Ebenfalls Tradition haben die Gastspiele der NDR-Bigband mit immer wieder herausragenden Gästen. In diesem Jahr Stefano Bollani am Piano und der US-Amerikaner Jeff Ballard (drums). Mit Witz und filigranen Kompositionen, zum Teil mit Anleihen aus der Klassik und italienischen Traditionals begeisterte der Italiener Bollani trotz der schrecklichen Ereignisse des Vortags das Publikum.

Ein Höhepunkt des Festivals war das Konzert von Marilyn Mazur's »Celestial Circle« mit Josefine Cronholm (voc), John Taylor (p) und Anders Jormin (b). Gefühlvoll auf den Punkt gespielte, federleicht in höchster Komplexität und Vollendung gespielte Percussion. Vorgetragen von einer sehr sympathischen Weltklasse-Musikern ohne jegliche Allüren. Auch nach dem Konzert war sie auf dem Festivalgelände allgegenwärtig und jederzeit ansprechbar.

Das Festivalprogramm war bereits gedruckt, da konnte Nils Landgren doch noch einen dicken Fisch an Land ziehen. Zum Auftakt der Europatournee kam Herbie Hancock nach Niendorf. Einmal mehr hatte er mit Lionel Loueke (g), James Genus und Trevor Lawrence drei hierzulande weniger bekannte, aber erstklassige Sidemen dabei. Das Programm, "back to the roots", eine Mischung aus feinstem Piano und knackigen Syntiesounds, gepaart mit Duett- und Soloeinlagen mit und durch seine kongenialen Partner. Erinnerungen an Alben wie "Head Hunter" oder "Future Shock". Zum Ende eine Variation von "Cantalope Island" und eine 15-Minuten-Version von "Rockit".

Zur gleichen Zeit gab es, etwas versteckt in einem an das Festivalgelände angrenzenden Segelclub am Strand, ein wunderbares kleines, aber sehr sehr feines Konzert des finnischen Pianisten Iiro Rantala. Der spielte zunächst Stücke seiner (noch) aktuellen CD "Last Heroes" und gab im weiteren Verlauf einen Vorgeschmack auf die September/Oktober erscheinende CD "My History Of Jazz". Zur Mitte des Konzerts gesellte sich der erst 26-jährige Adam Baldych (Geige) hinzu, der schon am frühen Nachmittag mit der JazzBaltica-Gang das Publikum begeisterte. Beide zelebrierten das, was man sich von einem Festival am Ostseestrand bei nächtlichen Temperaturen um 20 Grad erhofft. Lockere Atmosphäre, eine inspirierende Stimmung, begeisternde Improvisationen im kreativen Wechsel.

Besonders hinhörenswert waren aber an diesem Sonntag noch die Konzerte von Tomacz Stanko der noch vor voll besetzter Halle spielte, während das Konzert des Goran Kajfes Subtropic Arkestra wohl leider dem Endspiel der Fußball EM zum Opfer fiel. Mit neuen Tönen, gepaart mit Einflüssen aus dem Balkanjazz rockte diese 7-köpfige Formation die nur noch halb gefüllte Werfthalle.

Alles in allem war das "neue" 22. JazzBaltica ein gelungenes Festival in angenehmer Umgebung (zum Strand waren es nicht einmal 400 Meter). Die Veranstalter sollten sich aber im nächsten Jahr ein wenig mehr Zeit nehmen, um in der Werfthalle ein wenig mehr Atmosphäre zu schaffen. Ein paar Fotoplakate von JazzBaltica-Legenden auf der obersten Galerie und sicherlich liegen irgendwo ein paar Assecoires auf der Werft herum mit Bezug zur Seefahrt. Vor allem aber sollte die Halle verdunkelt werden. Auch auf dem Festival-Gelände selbst hätte man sich hier und da ein paar nette Sitzgelegenheiten mehr gewünscht und natürlich, dass ist aber auch schon Tradition bei JazzBaltica, ein leistungsfähigeres Catering. Zum Glück gibt es aber in Niendorf, anders als in Salzau, am Hafen genügend Lokalitäten, in die man Ausweichen kann.

Für alle die, die im nächsten Jahr ein paar Tage an der Ostsee mit einem vorzüglichen Jazzangebot verbringen wollen hier noch ein wichtiger Hinweis. Es gibt in der Nähe immer preisgünstige Pensionen und einen Parkplatz mit Wohnmobilstandplätzen incl. Versorgungsstation und sogar einem Klo und einen wunderbaren Zeltplatz in einem Kiefernwäldchen genau zwischen Festivalgelände und Strand. Was für ein Kurzurlaub. Also - bis zum nächsten Jahr in Niendorf.

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