Bild für Beitrag: Verlässliche Sound-Konstruktion | Lars Danielsson Group in Essen
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Verlässliche Sound-Konstruktion

Lars Danielsson Group in Essen

Essen, 23.10.2020
TEXT: Peter E.Rytz | FOTO: Sven Thielmann

Heftig bejubelt wurden Lars Danielsson, Magnus Öström, John Parricelli und Gregory Privat in der Essener Philharmonie! Auf den Sound dieser Supergroup im Europäischen Jazz ist Verlass: Der ist melancholie- und harmonieselig und immer tief melancholisch.

Das Leben in Corona-Zeiten ist davon geprägt, dass man sich ständig in neuen Situationen zurecht zu finden hat. Neben vielen verunsichernden und beängstigenden Situationen gibt es hin und wieder auch den Anklang einer gewissen Normalität. Das seit Wochen angekündigte Jazzkonzert mit der Lars Danielsson Group in der Philharmonie Essen findet tatsächlich statt. Aber es ist noch viel mehr. Es fühlt sich nicht nur richtig an, es klingt wie ein echter Danielsson: melodie- und harmonieselig, tief melancholisch.

Mit dem Schlagzeuger Magnus Öström – ehemals beim legendären e.s.t. - und dem virtuosen Gitarristen John Parricelli kann sich Danielsson seit vielen Jahren auf Musiker verlassen, die in ihrem Zusammenspiel seelenverwandt erscheinen. Dieses Trio, einer um 1960 geborenen Generation entstammend, die grazil zwischen Kammerjazz, Klassik und europäischer Volksmusik wandelt, hat den Jazz wesentlich mit geprägt. Mit verschiedenen Pianisten stehen sie für einen federnd leichten, verschwenderisch schönen, farbenreichen Quartett-Sound. Immer die Melodie im Blick, auf der Suche nach dem Erzählerischen, einer Authentizität, in der sich ihr Spiel fokussiert.

Seit 2012 veröffentlicht Danielsson unter dem Titel Liberetto in loser Folge CDs unter diesem Namen. Am Piano verlässt sich Danielsson mit Tigram Hamasyan oder Iro Rantalaauf exzellente Solisten, die seit mehr als zehn Jahren in der Szene präsent sind. Beim Essener Konzert sitzt Grégory Privat, wie Hamasyan eine Generation jünger, am Piano. In Libretto III, 2017 mit Privat am Piano veröffentlicht, ist eine Leichtigkeit farbenreicher Klänge zu spüren, die wesentlich von ihm mitgestaltet wird. Privats Pianospiel wechselt mühelos zwischen elegischem Fließen und kraftvollen Akkord-Kaskaden. Kein Ersatz, sondern ein überlegener Sound-Maler.

In einer Mischung von älteren Liberetto I/II-Songs und Neuem braucht diese Lars Danielsson Group keine Eingewöhnungsphase. Anders als der Zuhörer, der sich in seiner alten Philharmonie mit der hygienegerechten Bestuhlung auf einem gemeinsamen Parkett erst einmal neu orientieren muss.

Das Konzert, eine Premiere nach langer Bühnenabstinenz, eröffnet mit Nikitas Place meditativ verträumt. Öströms gehauchte Zimbeln und Gongs schaffen einen räsonierenden Resonanzraum. Im Zentrum Danielsson, scheinbar körperlos mit seinem Bass in der Position des goldenen Schnitts verwachsen, pendelt sein Kopf die Reihe seiner Musiker rhythmisch ab. Fulminante Tempoverstärkungen brechen sich auf dem Höhepunkt, fallen in ein lyrisches Pianissimo, führen in Kreisbewegungen zum Ausgangspunkt zurück.

In dieser Danielsson-Sound-Typik findet Privat mit dem vielfach gecoverten Orange Market einen groovenden Drive mit Rhythmuswechseln, die in einem vielschichtigen Dialog mit Öströms Schlagzeug kulminieren. Narrative Melodik, die ein unablässig aufgeregtes Großstadtgewusel klangmalt ebenso wie in der strengen Form der Passacaglia, entfaltet die Komplexität eines Easy-Listening-Sounds im besten Sinne.

Danielssons Basssolo, verspielt leuchtend wie ein Capriccio, Parricellis enigmatische Gitarren-Intro, wechselnd mit dezidiert liedhaften Songs, lässt für einen Moment vergessen, wie leicht das Leben sein könnte. Demgegenüber steht ein Kontrapunkt zum vorläufigen Finale, so markant, als solle niemand allein in imaginärer Glückseligkeit versinken. Eingeleitet von Parricelli mit vibrierenden Punktierungen auf der elektrischen Gitarre, die Bass, Schlagzeug und Piano energisch in einen musikalischen Kampfmodus drängt, lässt er sie in einer Art Jimi-Hendrix-Hommage flirren und sirren.

Die danach endgültig abschließenden Zugaben kann man sinnbildlich als Grundkonstanten des Danielsson-Sounds verstehen. Während die erste formal mit dem elegischen Nikitas-Place-Konzertauftakt einen Eckpfeiler bildet, behauptet die zweite das Kraftvolle, das Dynamische. Eine stabile und verlässliche, von den wenig mehr als 100 Konzertbesuchern heftig bejubelte Sound-Konstruktion.

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