Verbindung auf höherer Ebene
Conny Bauer Trio beim Krefelder Jazzherbst
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper
Einst gehörte er in der DDR zu den Freejazz-Pionieren - über fünf Jahrzehnte später gastierte er in Triobesetzung beim Krefelder Jazzherbst in Glasfoyer des Theaters. Was heute denn anders sei als damals? Als Antwort liefert Conny Bauer eine nüchterne Feststellung: „Ich würde sagen, ich spiele heute besser als früher“.
Conny Bauer, dieser Posaunist mit einer Spielweise, die so eigenwillig ist, dass sie in Expertenkreisen schon mit dem Fachbegriff „Conradism“ belegt wurde, hat an diesem Abend seinen jüngeren Bruder, den Bassisten Matthias Bauer an seiner Seite. Am Schlagzeug stitzt der wesentlich jüngere Norweger Dag Magnus Narvesen.
Auf Anhieb löst sich ein Widerspruch auf: Hier spielt zwar jeder Musiker ganz frei für sich, weil eben nicht -wie im „normalen“ Combo-Jazz- alle durch ein mehr oder weniger verbindliches Regelwerk aus Rhythmus oder Harmonie verbunden sind. Aber dafür ist ein anderes, intuitives Miteinander, eine, sich formalen Kategorien weitgehend entziehenden, höheren Ebene vorhanden.
Bauers endloser Luftstrom auf der Pause wetteifert mit seinem Ideenfluss, der ebenfalls nie versiegt. Was im Fall dieses genialen Instrumentenbeherrschers oft archaisch geerdet und nie verkopft oder abgehoben wirkt. Eher so, als wenn es aus riesiger Lebenserfahrung unendlich viel zu erzählen gibt. Der jüngere Bruder Matthias Bauer zupft und streicht den Bass, dass es sonor tönt, aber auch so, dass viel kammermusikalische Feinheit den Dialog, ja Trialog auf Augenhöhe nährt. Dag Magnus Narvesen setzt feine und feinste Klangaktionen dagegen, die manchmal wie Gischtnebel über den Wellenspitzen der kommunikativen Schwingung aufblitzen. Aber es geht auch kraftvoll zur Sache gehen in diesem Prozess des gemeinsamen Suchens.Wohlgemerkt: Alles,was die drei in den zwei Sets spielen, entsteht völlig spontan ohne kompositorische Absprachen im Vorfeld. Darauf legte Conny Bauer im Gespräch nach dem Konzert großen Wert.
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Konzerte wie diese werden heute kaum noch als Rituale des ästhetischen Widerstandes aufgesucht, wie es einst in der DDR-Freejazz-Szene der 1960er Jahre war. Conny Bauer wies auf den Unterschied hin: „Damals suchten viele jungen Menschen in unseren Konzerten eine Zuflucht vor einer verabreichten Gängelung in den Köpfen. Die Zeitungen wollten bestimmen, was die Menschen zu denken haben.“ Heute steht so etwas einfach für höchste Kunst auf Weltklasse-Niveau. Und gegenüber dieser zeigte sich an diesem Abend das Krefelder Publikum gut geschult in der Kunst des Zuhörens - und applaudierte begeistert für neue Horizonterweiterung.
Vielleicht hat dies auch mit der künstlerischen Grundhaltung dieses Trios zu tun, die bei diesem Konzert hörbar lebte: „Wir spielen für unser Publikum! Ich möchte das, was ich spiele, mir selbst auch gerne anhören, wenn ich dort sitze!“ sagt der Posaunist Conny Bauer.
Mit einem anderen Pionier des freien Jazz „made in Germany“ geht der Krefelder Jazzherbst in seine Zielgerade: Am Montag, 6. Dezember trifft der Berliner Pianist Alexander von Schlippenbach auf den Saxofonisten Rudi Mahall. Wieder darf man sich auf den Schlagzeuger Dag Magnus Narvesen freuen, der auch diese Trio Besetzug unter dem Arbeitstitel „Winterreise 2021“ bereichern wird.