Verbindende Alchemie
Philippe Lemm Trio verzauberte im Schloss Horst
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper
Für das niederländisch-amerikanische Philippe Lemm Trio war es eine Art Wiedersehen mit dem Gelsenkirchener Publikum, hatte sie doch vor einigen Jahren schon einmal bei FineArtJazz gespielt – damals unter durchaus skurrilen Umständen, als obskure Lautsprecherdurchsagen aus dem benachbarten Schwimmbad dem Konzert eine unfreiwillige Situationskomik verliehen.
Doch der unbeirrten Musikalität des Trios tat dies keinen Abbruch, denn gerade im Jazz geht es immer darum, in die Schwingung eines Raumes, eines Moments und auch in die Stimmung des Publikums hinein zu hören. Und das definiert vor jedem Auftritt die Parameter immer wieder neu, wie die Musiker im Pausengespräch einhellig bekundeten. Bei diesem zweiten Auftritt im Rahmen ging alles ungestört vonstatten – und ja, vom majestätischen Ambiente im Schloss Horst waren die Musiker des amerikanisch-niederländischen Trios sichtlich beeindruckt. Eben so vom Publikumszulauf im Schloss Horst, denn die Zuschauerränge waren bis auf den letzten Platz gefüllt. Nach bereits 18 absolvierten Konzerten auf ihrer Tournee bestens eingespielt, sollten die Erwartungen nicht enttäuscht werden.
Was Schlagzeuger Philippe Lemm, Pianist Sharik Hasan und Bassist Jeff Koch auf die Bühne bringen, kann man nur als pure gelebte Freude bezeichnen. Diese Begeisterung überträgt sich unmittelbar auf das Publikum. Diese Musik besticht durch helle, freundliche Farben, ist temporeich und melodieselig, dabei aber stets filigran virtuos - wenn auch für alle, die es nach musikalischer Grenzüberschreitung gelüstet, manchmal etwas zu viel in reiner Dur-Melodik verhaftet. Aber nun ja, Philippe Lemm, vor allem in den USA sozialisiert, hat zweifellos typisch amerikanische Tugenden verinnerlicht: nämlich mitreißend und unterhaltsam aufzuspielen und dies auf einem unbestechlichen Top-Niveau und dabei in jedem Moment ans Publikum zu denken.
Einblicke in die Entstehungsgeschichte
Das machten die drei nun hochengagiert und gemeinsam, in lässiger Präzision und gaben dabei auch bereitwillig Einblick in die Entstehungsgeschichten vieler ihrer Kompositionen. So widmete Lemm eine Nummer einem persönlichen biografischen Wendepunkt: nämlich jenem historischen Tag, an dem er in New York sein erstes eigenes Apartment ohne Mitbewohner sein Eigen nennen durfte.
Mit offenen Ohren und wachem Geist waren die drei Musiker über zwei lange Sets in der Welt unterwegs. Bei aller Eingängigkeit dieser Musik mangelt es an ausgefuchster Finesse nie: Selbst wenn die Stücke komplexer werden – etwa am Ende des zweiten Sets, als eine vertrackte Elf-Achtel-Rhythmik auch mal der bulgarischen Chormusik entlehnt worden war. Das alles immer mit maximaler Leichtfüßigkeit und Wärme, die in diesen Tagen einfach gut tut.
In der musikalischen Interaktion zeigt sich die besondere Stärke des Trios: Pianist und Schlagzeuger agieren als engagierte Rhythmiker auf Augenhöhe, letzterer mit ausgeprägter Körpersprache, die nicht überrascht, weil Philippe Lemm tatsächlich über den Tanz zum Schlagzeugspiel gefunden hat. Der Bassist hat weit mehr als nur die Rolle des Bassisten im traditionellen Sinne, wenn er prägnant und melodisch oft seine ganz eigenen Geschichten erzählt und artikuliert. Mehr Spiellust, gepaart mit nie versiegendem virtuosem Feinsinn als bei diesem Trio geht wohl kaum.
Zwischen den Stücken sprach Lemm auch nachdenkliche Töne an, etwa über die zunehmend schwierigen Bedingungen für freie, ehrliche Musik in der heutigen Zeit. Spotify und co haben sämtliche Möglichkeiten zunichte gemacht, noch durch den Verkaufserlös durch Tonträger existenziell über die Runden zu kommen. Umso elementarer sei also das Live-Erlebnis geworden, im Idealfall so, wie vor diesem dankbaren Publikum im Schloss Horst, was eben auch immer einem Nehmen und Geben gleichkommt.