Verantwortung für eine große Sache
Stefan Bauer and guests in der Altstadtschmiede
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper
Um die Zukunft des Jazz braucht man sich doch wohl keine Sorgen machen: Beim Konzert mit Stefan Bauer und seiner aktuellen Working Band sowie einem überraschenden Special Guest, vereinten sich bis zu fünf Musikergenerationen in der Altstadtschmiede.
Die Sängerin Anna-Karina Bartel und die Vibrafonistin Carlotta Ribbe, die sich „Duo Klangwelten“ nennen, behaupteten sich eindrücklich als „Vorband“ und hinterher auch als Bestandteil jener aktuellen Highend-Jazzcombo, die Stefan Bauer für seine diesjährigen Auftritte in Maastricht, Warendorf, Recklinghausen, Dortmund und Essen zusammengestellt hatte.
Stefan Bauer ist wieder mehr im Ruhrgebiet präsent und seit diesem Jahr auch Lehrbeauftragter für Vibrafon an der Folkwang-Hochschule. Carlotta Ribbe studiert aktuell bei ihm. Und die hatte von sich aus den Wunsch geäußert, an der Tournee zu partizipieren. So viel Selbstbewusstsein macht sich bezahlt: Drei Stücke reichen den beiden Musikerinnen für eine intensive Live-Dramaturgie. Mit zarten, geheimnisvollen Vokalisen beginnt Anna-Karina Bartel die Cole-Porter-Nummer „You be so nice to come home“, um mit umso mehr Klarheit und Tiefe zu beeindrucken. Das Gesangsstudium bei Romy Cameron hat hier auf jeden Fall Früchte getragen. Herrlich einfühlsam und mit faszinierender harmonischer Kreativität gestaltet Carlotta Ribbe den Vibrafonsound zu einer weiteren „Stimme“ in diesem Duett, was in der Ballade „Peacocks“ von Jimmy Rowles und schließlich in einer Stevie-Wonder-Nummer den denkbar höchsten Intensitätslevel erreicht.
Die Show haben die beiden der Band von Stefan Bauer damit nicht gestohlen. Denn diese erwies sich an diesem Abend der großen Verantwortung für die ewige Sache des Jazz in vollstem Umfang würdig. Schon lange vor Beginn des Konzertes herrschte eine intensive Arbeitsatmosphäre - geht es doch darum, sich auf komplexe Arrangements einzulassen und akustische und technische Gegebenheiten auszuloten.
Stücke, die das Leben schrieb
Aber die Sache läuft auf Anhieb: Schlagzeuger Terry Clark, Saxofonist Matthew Halpin, Bassist Matthias Akeo Nowak und Stefan Bauer selbst am Vibrafon nehmen ihr Publikum auf verschlungene Wege durch harmonische Räume, ausgiebige Kollektivimprovisationen und tiefempfundene Klänge mit. Eine gelenkige Neobop-Nummer gibt zunächst der gespannten Erwartungshaltung im Publikum Futter. Schon das nächste Stück nimmt eine ganz andere Perspektive ein – willkommen in der Wunderwelt des modalen Jazz! Bauer intoniert eine von kühnen Intervallsprüngen durchsetzte Skala, Terry Clark, dessen Spiel wirklich sensationell an diesem Abend ist, klinkt sich mit feingliedrigen Impulsen ein, bevor Matthew Halpin sein Tenorsax mit ergreifend sonorem Sound durch den Raum schallen lässt und Bauer mit dem Vibrafon schließlich einen „weltumspannenden“ solistischen Kommentar oben drauf setzt. In der Reihe hinter mir wird schon was von „zweiten Miles Davis Quintett“ gemurmelt, das deckt sich mit Stefan Bauers lobender Einschätzung, dass ihm doch gerade das deutsche Jazzpublikum wegen seiner Aufgeschlossenheit und Verständigkeit so ziemlich das liebste ist. Die folgenden Stücke für den langen Abend schlagen viele weitere Richtungen und fantasievolle Umwege ein – die Eigenkompositionen, die gleichberechtigt von den vier Bandmitgliedern beigesteuert wurden sind und die ein ereignisreiches Leben diesen welterfahrenen Musikern auf den Leib schrieben.
Am Ende vereinten sich nochmal fünf Generationen auf der Bühne (immerhin hat der Kanadier Terry Clarke schon mit Oscar Peterson zusammengespielt!), als schließlich nochmal Carlotta Ribbe das Vibrafon übernahm und Anna-Karina Bartel zusammen mit dem Rest der Band dem beglückten Publikum zwei hinreißende Songs mit auf den Nachhauseweg gab. Übrigens hat das Duo Klangwelten gerade den domicil-Jazz-Förderpreis gewonnen.