Akustische Voliere
Ute Wassermann, John Butcher und Martin Blume im Kunstmuseum
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | FOTO: Heinrich Brinkmöller-Becker
Die Reihe ‚Klangbilder‘ mit ihrem Kurator Martin Blume verspricht immer ein Hörerlebnis der besonderen Art. Grundsätzlich dient die aktuelle Ausstellung im Kunstmuseum Bochum als inspirierender Rahmen für un-erhörte Klangexperimente. So auch in der – man glaubt es kaum – 24. Ausgabe. Passend zur Ausstellung von Theresa Weber ‚Chaosmos‘ hat Drummer und Perkussionist Martin Blume zwei Hochkaräter der improvisierten Musik eingeladen, mit denen er seit Jahren in unterschiedlichen Besetzungen spielt: die Stimmkünstlerin Ute Wassermann und Saxophonist John Butcher. In Bochum hatten die auf internationalen Bühnen agierenden Drei nach ihrem Auftritt in Bremen und Köln jetzt zum ersten Mal einen gemeinsamen, und der hatte es in sich.
Kolossales Soundgeflecht
In den drei Sets des Konzerts entspinnt sich ein Soundgeflecht, ein Klangkosmos, der zu den ausgestellten Bildern von ‚Chaosmos‘ eine treffende akustische Entsprechung findet. Verblüffend, welch Saxophon-atypische Höchst-Töne John Butcher seinem Sopran entlockt, die in Tonhöhe und Artikulation mit dem Stimmenzauber von Ute Wassermann korrespondieren. Dieser speist sich aus einer stupenden Stimmtechnik von Atem-, Zwitscher-, Zisch- und Schmatzlauten – „verstärkt“ durch Flöten, Trichter, Maultrommel… Schließt man die Augen, vermag man kaum zu glauben, welches Klangspektrum die menschliche Stimme zu erreichen in der Lage ist. Sopran- und Tenorsax interagieren damit kongenial, John Butcher wird seinem Ruhm als einer der bedeutendsten Saxophonisten der improvisierten Musik voll und ganz gerecht: Das Saxophon als Tongenerator mit seinen posaunenartigen Glissandi, mit Multiphonics, dem Growling, Shouting, Ploppen, Zirpen… nimmt wundersam die Stimmakrobatik von Ute Wassermann auf und erweitert sie um eigene Klänge. Beide animieren sich zu immer neuen Wendungen ihrer klanglich-experimentellen Interaktion. Und Martin Blume : Grundiert rhythmisch den zum Teil animalisch klingenden Dialog, zieht die Dynamik an und gibt wiederum Impulse für einen ruhigeren Part. Seine Stärke liegt darin, mit dem Einsatz von Besen, Holzklötzchen auf der Snare, Glocke, Glöckchen, Spezial-Mallets … wesentlich auch zum erweiterten Klangbild des Konzerts beizutragen. Das Trio erreicht so ein rundum homogen klingendes Amalgam aus unterschiedlichen Stimmen mit eigentümlicher Konvergenz in Sound, Geräusch und Dynamik.
Vor allem der Stimmen-Zauber der Vokalistin mit ihren vogelartigen Zwitscher-Tönen – nur manchmal ergänzt durch raubtierhaftes Growlen - gibt dem Konzert eine fast frühlingshaft-beschwingte Leichtigkeit und Lebensfreude. Der Raum des Kunstmuseums verwandelt sich akustisch in eine Voliere – ein Effekt, der noch verstärkt wird, wenn John Butcher die Bühne verlässt und bei seinem hochtönenden Rundgang durch den Konzertsaal mit dem Sopransax eine zusätzliche klangliche Dimensionalität kreiert.