Ungewöhnliche Spielorte
We Jazz Festival 2015
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Tanja Ahlstén, Maarit Kytöharju & Arja Kärkkäinen
Nach großen Spielorten schaut man sich gar nicht erst um. Musiker und Zuhörer sollen einen möglichst intimen Zugang zueinander haben. Das geht nun mal am besten in kleinen Sälen, Cafés, Theatern. Oder in einer Straßenbahn, den Büroräumen einer Lautsprecherfirma oder im Wohnbereich der kleinen Einzimmerwohnung eines Musikers. Matti Nives und sein vor drei Jahren ins Leben gerufene Festival „We Jazz“ wollen nicht riesengroß sein. Sie wollen anders sein, was die Präsentation von Konzerten betrifft, und sie sind anders. Und die Macher haben vor allem Musik im Angebot, die sie selbst gerne hören möchten.
Da sitzt man als Zuhörer dichtgedrängt in der kleinen Kaffeebar Sävy, um dem freigeistigen Jazz des 80-Jährigen, legendären finnischen Saxofonisten und Flötisten Juhani Aaltonen und seinem Trio zu lauschen. Noch enger ist es in der Wohnung von Pianist Joonas Haavista, der an mehreren Nachmittagen während des Festivals jeweils einen Duo-Gast dazu holte. Für mehr wäre auch kaum Platz, hat Haavista doch einen Flügel mitten in seinem kleinen Apartment stehen. So saß man auf dem Bett, auf kleinen Stühlen oder stand in der Küchenzeile und ließ sich verzaubern von dem Auftritt mit seinem regulären Bassisten Antti Lötjönen. Mit seinem Trio bringt Joonas Haavisto mit „Oku“ gerade ein neues, sehr hörenswertes Album heraus, von dem er auch in seiner Wohnung einige Stücke spielte. Mit starken, schönen Melodien zum Träumen. Aber nicht nur elegisch aufspielend, auch zupackend, beherzt und gewitzt in Jazzstandards wildernd ist dieser Pianist mehr als nur ein Ohr wert.
Ein weiterer Tastendrücker sorgte bei „We Jazz“ ebenfalls für feine Momente. Aki Rissanen erstaunte in einem Solokonzert zusammen mit dem Visual-Künstler Petri Ruikka als experimentierfreudiger Elektroniker, während er im fantastischen Quartett des Trompeters Verneri Pohjola wieder eine prägende Stimme auf dem Konzertflügel war. Pohjolas Konzert darf man als einen Höhepunkt des Festivals bezeichnen. Wunderbare Melodiebögen, Klangschönheit und lyrische Momente kontrastiert von frech-frischen rhythmischen Farben von Drummer Teppo Mäkynen ergaben eine wunderbare Musik, vorgetragen in dem dazu passenden Retro-Ambiente des Andorra-Theaters.
Der Fokus von „We Jazz“ liegt eindeutig und bewusst auf finnischem Jazz. Und der klang dann letztendlich in der Mehrheit doch recht konventionell. Unter allen Formationen der sieben Festivaltage waren ganze zwei aus dem Ausland dabei. Das Vijay Iyer Trio aus den USA zum Auftakt. Und das Gunter Hampel Quintet aus Deutschland, über dessen wenig inspirierenden Auftritt man kaum Worte verlieren muss. Dagegen machte der Festival-Kehraus im Rock-Club Tavastia mit der um zwei Gäste erweiterten Band des Saxofonisten Timo Lassy wiederum viel Spaß. Denn kaum lässt sich ein kalt-nasser Dezemberabend besser verbringen als mit positiver Stimmung verströmenden, wie geölt fließenden Soul Jazz und Hard Bop allererster Güte, wie ihn der sympathische Finne zu bieten hatte.