Unangepasst
Mattner, Tegen und Wahl im Goethebunker
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper
Hier bringt so schnell nichts die Mauern zum Erbeben! Im Essener Goethebunker laufen Konzerte, die auch mal hart, laut, schroff, experimentell und nicht gefällig sind - unter anderem in ihrer Reihe „Betonmusik“ der Jazzoffensive Essen. Aktuell kompensierten Stephan Mattner , Saxofon, Nils Tegen, Schlagzeug und Andreas Wahl mit überkochenden Klangmassen die eher kühlen Temperaturen in dieser rauhen Endzeit-Spielstätte.
Der Essener Andreas Wahl hob mit seiner E-Gitarre zu fantasiegesättigten solistischen Höhenflügen ab und huldigte mit seinen Effektpedalen dem gepflegten „Wall of Sound“, derweil Schlagzeuger Nils Tegen seine dichten rhythmischen Eruptionen pulsieren ließ. Saxofonist Stephan Mattner brachte sich hingegen eher punktuell in diese dichte Interaktion ein, lieferte die sensibleren Nuancen, überließ jedoch phasenweise Andreas Wahl und Nils Tegen das Feld für expressivere Diskurse und Konfrontationen. So geht rohe Spielfreude, die im Kern aber viel Feingeist und konsequente Ausformulierungen offenbart, sowohl was den melodischen Erfindungsreichtum in Andreas Wahl s Gitarrenspiel anbelangt, als auch die ganze präzise getaktete, gerne brachial wuchtige und ökonomisch kluge Impulskraft von Nils Tegen, der das ganze auch noch durch futuristische Elektronik anreicherte.
Dass die Städte im Ruhrgebiet in jazziger Hinsicht noch viel mehr zusammenwachsen können, ja müssen belegte die Konzertmoderation von Stephan Mattner , der – als Dortmunder – unverblümt zugab, die Stadt Essen bislang noch nie außerhalb der Mauern der Folkwanghochschule zu Gesicht bekommen zu haben. Dabei lohnt allein dieser alte Weltkriegsbunker jede Entdeckungsreise. Zwar muss man sich im Winter manchmal etwas warm anziehen hier oder sich einfach mehr zu Musik bewegen – doch kann wohl kaum ein Ambiente stärker zu musikalischer Unangepasstheit animieren wie das schroffe Gemäuer, das heute zum Glück nicht mehr seinen eigentlichen Zweck erfüllen muss.
Die Clubszene des Ruhrgebiets ist hier auf jeden Fall schon weiter und nimmt den Goethebunker seit Jahren begeistert an. Auch hier geht es künstlerisch hochklassig zur Sache. Die Djs und Artists, die sich hier die Klinke in die Hand geben, spielen durchweg in internationaler Liga und damit auch den prominentesten Locations im Lande, wie dem Berliner Berghain oder dem Hamburger Golden Pudel. Wer jetzt neugierig wird, sollte mal den Freitag, 16.12. auswählen und zur nächsten Bunkernacht hier Unterschlupf suchen: Unter anderem lässt die DJ-Künstlerin Helena Hauff in dieser Nacht betont dunkle, aber extrem abwechslungsreiche Elektro- und Techno-Soundcollagen erwarten. (siehe Soundcloud-Files auf der Goethebunker-Website).