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Unangepasst!

Eugene Chadbourne in Recklinghausen

Recklinghausen, 18.04.2015
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper

Für den Gitarristen Eugene Chadbourne ist ein Dreiminuten-Songformat doch viel zu eng! Der Ideenfluss des US-amerikanischen Gitarristen geht verschlungene Wege – und die Horizonte seiner musikalischen Fantasie sind so weit wie der Kontinent, dem er entstammt. Eugene Chadbourne hat viel erlebt, gefühlt, getan in seinem bisherigen Leben. All dies bündelt sich in seiner Musik, die so voll und ganz dem Geist der Unangepasstheit huldigt, ebenso in seiner frenetischen, manchmal sich überschlagenden Saitenkunst und der näselnden Gesangsstimme.

Beim Auftritt in Recklinghausens aktueller Underground-Spielstätte „Räuber-und Rebellen“ ist eine Zweimann-Band am Werk. Der aus dem Ruhrgebiet stammende und heute in Freiburg lebende Schlagzeuger Schroeder ist zum favorisierten Duo-Partner von Eugene Chadbourne geworden. Unablässig verleiht Schroeders extrovertiertes Schlagzeugspiel der ganzen geballten Lebensenergie ihren unablässig treibenden Puls. So fließt immer neues Blut durch die Adern, kommt in Wallungen. Schroeder hört sich hinein in die ganzen virtuosen, unberechenbaren Texturen und Grooves seines Partners aus den Staaten. Eine Herausforderung ist dies allemal, denn Eugene Chadbourne reißt in seinem assoziativen Spielfluss immer wieder spontan das Ruder herum. Oder steuert inmitten weitgespanntem instrumentalen Fantasieren plötzlich aufs konkrete, Songhafte zu. Das setzt puren Rock`n` Roll oder gar rotzige Punk-Attitude frei.

Auf dem Notenständer ruht sein ganz persönliches Songsbook. Und man weiß nie, woraus er als nächste zurückgreift. „Time has come to day“ von den Chamber Brothers aus den 1960er Jahren ist nur einer von vielen Referenzpunkten, die Chadbourne auch immer ins Skurille abwandelt – und er huldigt an diesem Abend auch mit einem mystisch verklärten „Theme of the Stargazers“ dem kosmischen Freejazz-Exzentriker Sun Ra. Zuweilen steigert sich alles in traurige Melancholie hinein.

Immer wieder wetteifert Chadbournes spröder Sprechgesang mit der extremen, temporeichen Saiten-Artistik, die unter seinen Händen lebt. Diese Gitarre ist sich selbst entblößendes Organ. Es schreit und singt tiefempfunden – nicht ohne dabei immer gern jedes Idylle eines amerikanischen Traums lustvoll zu zerstückeln. Noch faszinierender und experimenteller ist sein Banjo-Spiel. Auf diesem Instrument mit seinem typisch countryesk scheppernden Sound dürfte Chadbourne wohl als Weltmeister anerkannt sein. Hier versetzt er Texturen in ganz merkwürdige Schwingungen, immer rasant virtuos und in harmonischen Farben und Wendungen, die verstören, oder manchmal auch etwas indisch anmuten.

Selten erlebt man, wie ein Musiker wie hier sein Innerstes nach Außen kehrt und dabei von einem so hellwach sich hinein hörenden Partner am Schlagzeug impulsiv angetrieben und befeuert wird. Chadbourne und sein deutscher Mitstreiter haben soeben eine vierwöchige Europatournee miteinander durchlebt - und der Auftritt in Recklinghausen war der letzte gemeinsame Abend, bevor Chadbourne wieder in den Flieger nach Amerika steigt. Ein würdiges Finale auf jeden Fall!

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