U.K. Quartett im domicil
Rhythm and much more
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Heinz Schlinkert
Es ist Anfang September, draußen wird’s bald schon wieder dunkel. Im mit 70 Plätzen (wegen Corona) ausverkauften Domicil erstrahlen die roten Sitzreihen im roten Licht, das Publikim sitzt etwas verstreut in dem großen Raum. Die Bühne ist blau angestrahlt. Da herrscht erstmal eine recht cool-kalte Atmosphäre.
Und dann stürmt die Band auf die Bühne und alles ist anders. Endlich geht’s auch für die Band wieder los. Two Souls beginnt mit einem Schlagzeug-Solo-Intro von ‚Chef‘ Uwe Kellerhoff, denn für ihn steht ‚U.K.‘ Und dass hier ein Drummer das Sagen hat, merkt man bei fast allen Stücken, die durchweg sehr rhythmisch strukturiert sind.
Vorher hat Angelika Seger vom Domicil ein Interview mit Milli Häuser geführt, in dem Milli über die aktuelle Lage der Bochumer Tatort Jazz-Reihe berichtete. Tatort Jazz wird nun vom Land gefördert und organisiert oft Konzerte auch in anderen Städten.
Das U.K. Quartett ist vor zwei Jahren aus der Bochumer Tatort-Jazz-Band entstanden und besteht aus dem Schlagzeuger Uwe Kellerhoff, dem Bassisten Alex Morsey (auch Sousaphon); dem Pianisten Matthias Dymke und dem Saxofonisten Peter van der Heusen.Die Musiker der Band sind inzwischen regional bekannt, so dass sie hier nicht weiter vorgestellt werden müssen. Noch im Dezember ist sie in der Alten Kirche in Bochum Wattenscheid aufgetreten, danach in Duisburg (Jazzclub in der Säule), andere Termine wie in Amsterdam mussten leider ausfallen.
Gespielt werden alle Stücke der CD ‚Akoli‘ und einige neue Stücke. Die Band ist sehr gut aufeinander eingespielt und tritt professionell auf. Oft beginnen die Stücke mit einem Solo als Intro, so wie z. B. Alex Morsey bei Five im 5/4-Takt mit einem längeren gestrichenen Solo. Alex ist wie immer sehr vielseitig mit seinem Bass, er zupft, er streicht, er brummt, scattet und - das ist dann auch eine optische Attraktion - er spielt Sousaphon, z. B. bei dem gar nicht so einfachen Isie.
Einen Höhepunkt bildet Akoli, das bei einer Kompositionsreise nach Griechenland in dem gleichnamigen griechischen Ort entstanden ist und nach dem das Album benannt ist. Matthias Dymke beginnt auf dem Piano mit einem langen impressionistisch klingenden Solo. Peter van der Heusen bringt dann, sacht begleitet von den Anderen, das Thema ein, das er weiter variiert bis es übergangslos wieder vom Piano übernommen und weitergeführt wird. Es schließt sich ein ‚drummatisches‘ Crescendo an bis dass das TenorSax wieder übernimmt und mit dem Thema langsam ausklingt.
Interessant ist Low Go, Uwes vorerst letzte Komposition. Sie ist als Vorlage für eine Drummer- und Percussion Gruppe „Padi Percussion Orchestra“ entstanden und wurde von ihm für die Band noch am gleichen Tag umgeschrieben. Uwe ist hier – wen wunderts – voll in seinem Element. Der erste Teil ist eigentlich ein fulminantes Schlagzeug-Solo, das von den anderen Instrumenten begleitet wird. Danach übernehmen vor allem Piano und TenorSax die sehr rhythmische Vorlage, manchmal in einer Frage-Antwort-Form. Hier ist allerdings noch Luft nach oben, es könnte noch melodischer klingen, finde ich, und – warum nicht mal innehalten und als Kontrast eine klangbetonte ruhige Passage einfügen?
Sehr erfrischend kommt Surf It rüber, eine Rock’n Roll-Einlage von Uwe auf hohem Niveau, die über die Standard-Harmonien hinausgeht.
Dass Big Boy Bossa ein Bossa Nova ist, merkt man vor allem am Rhythmus. Wer da an Stan Getz denkt, liegt aber falsch, denn Peter van der Heusen spielt auf dem TenorSax zunächst sehr verhalten, wechselt nach einem Piano-Part dann aber zum SopranSax, dem er wunderbare, manchmal exotisch wirkende Klangfarben entlockt. Ähnlich klingt es bei House of Jade von Wayne Shorter. Dieses Stück ist neu im Repertoire ist der Band und erzeugt eine ruhige, lyrisch anmutende Atmosphäre.
Bembelé, inzwischen schon fast ein Klassiker der Band, hat einen westafrikanischen Rhythmus, der inzwischen auch in Cuba und Brasilien zu hören ist. Uwe spielt hier im Thema eine Adaption der cubanischen Conga/Glocken Version und improvisiert dann mit verschiedenen „Umdrehungen“ des Rhythmus (danke an Uwe für die Infos).
Und dann die Zugaben. Scoly Moly, eine Komposition von Alex passt sich rhythmisch sehr gut in das Repertoire der Band ein. Alex spielt dazu sogar Melodien auf dem Sousaphon. Und am Ende Bebop, featuring Peter van der Heusen könnte man ergänzen. Denn Peter, der dieses Stück von Dizzy Gillespie arrangiert hat, hat hier in einer langsameren Gangart und unter Einbeziehung des Sousaphons eine ganz neue Version des Stücks im reggaebetonten Rhythmus geschaffen. Mit dem TenorSax entfacht er ein wahres Solo-Feuerwerk, das dem von Dizzy’s Trompete kaum nachsteht. Wirklich ein gelungener Abschluss dieses schönen Konzerts!
Weiter geht es mit dem U.K. Quartett am 2.10.2020 in der Gelsenkirchener Bleckkirche - Kirche der Kulturen mit Gastsolistin Milli Häuser (vocals). Es soll auch bald eine neue CD geben.
Mit der Tatort Jazz Hausband (Dymke, Morsey, Kellerhoff), und Gastsolist Markus Türk (tp) - „Ein Dorftrompeter packt aus“ gibt es am Mi. 9.9.2020 im Bahnhof Langendreer ein Tatort Jazz Konzert. Das Matthias Dymke – Trio spielt am am 22.11. in Schwerte.
Weitere Konzerte siehe unter: www.tatort-jazz.de