Überzeugendes neues Konzept
Funchal Jazz Festival 2014
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Renato Nunes
Paulo Barbosa ist geschafft, aber auch zufrieden. Es war ein Kraftakt, das diesjährige Funchal Jazz Festival auf die Beine zu stellen. Zum ersten Mal war der sympathische Mann aus Madeira für das Programm des Festivals zuständig. Im letzten Herbst gab es Wahlen auf der Blumeninsel im Atlantik, ein neues Parteienbündnis mit einem neuen Bürgermeister regiert nun, und die Leitung des Jazzfestivals wurde in seinem 15. Jahr erstmals offiziell ausgeschrieben.
Paulo Barbosa, der auf seiner Insel schon mehrfach Jazz veranstaltet hat in der Vergangenheit und sich nicht nur deshalb bestens auskennt, gewann mit seinem Projektantrag. Der sieht einen doch erfrischenden Wandel im Konzept vor, sicher auch bedingt durch massive finanzielle Kürzungen. Nur noch ein Drittel vom bisherigen Etat hatte Barbosa in diesem Jahr zur Verfügung. Aber er ist ohnehin ein Förderer des portugiesischen Jazz. Also hieß es dieses Mal: keine viel Geld verschlingende Big Names wie Chick Corea oder Cassandra Wilson mehr, sondern mehr der Blick auf die aktuelle Szene aus Übersee und vom portugiesischen Festland.
Der Trompeter Ambrose Akinmusire ist so ein angesagter Künstler. Nach Madeira brachte der Amerikaner sein um den Sänger Theo Bleckmann verstärktes Quintett mit. Auf Akinmusires neuem, starken Album The Imagined Savior Is Far Easier To Paint (Blue Note/Universal) ist der Deutsche aus New York auf einem Stück mit dabei; auf Madeira nun hatte diese Zusammenarbeit ihre Live-Premiere. Und es passt, wenn Theo Bleckmann seine wie immer außergewöhnlichen vokalen Beiträge in den komplexen, aber dabei nie sperrigen, nach neuen Klangkonstrukten suchenden Modern Jazz von Akinmusire mischt.
Zwei Pianisten zeigten direkt hintereinander die ganze Faszination des Klaviertrio-Jazz. Wo sich der Portugiese Mário Laginha, den man auf keinen Fall nur auf seine langjährige Zusammenarbeit mit Sängerin Maria João reduzieren sollte, in seinem eigenen Trio mit Bassist Bernardo Moreira und Schlagzeuger Alexandre Frazão als ästhetischer und melodisch eleganter Klangbastler zwischen Chopin und Jazz präsentierte, bestach das Vijay Iyer Trio durch melodische Stringenz, kraftvolle Grooves gepaart mit mitreißenden, vielschichtigen Rhythmen, für die vor allem auch Iyers neue Schlagzeuger Tyshawn Sorey sorgte.
Zuhören wurde zum Riesenspaß
Ein brillantes Solokonzert lieferte Jason Moran ab. Auf die Idee, den alten Jazzklassiker „Body and Soul“ durch gesampelte Hutu-Trommler aus Ruanda einzuleiten und anschließend damit zu kontrastieren muss man erst einmal kommen. Und auch sonst fehlte es dem US-Pianisten nie an Fantasie in seinem Spiel, wenn er alte Bluesnummern und Themen von Duke Ellington oder Fats Waller aufbrach, um darin improvisatorisch neue Wege zu erforschen. Dass Carlos Bica sein Trio Azul schon seit zwei Dekaden betreibt, hörte man in Funchal. Wie mitreißend und fröhlich-frech der portugiesische Bassist, Gitarrist Frank Möbus und der so herrlich unorthodox trommelnde Jim Black in einem Kraftfeld aus Jazz, Rock und folkloristischen Motiven miteinander kommunizieren, das macht das Zuhören zu einem Riesenspaß.
Neben viel großartiger Musik passte auch der Zuschauerzuspruch bei der Neuausrichtung des Funchal Jazz Festivals. Das Publikum kam auch ohne die ganz großen Namen im Programm zahlreich in den wunderschönen Parque de Santa Catarina, mit herrlicher Aussicht auf die Bucht von Funchal. Da lassen sich die unfeinen Kommentare zum neuen Festival der künstlerischen Leitung der ersten 14 Festivalausgaben auf einer eigens dafür veranstalteten Pressekonferenz locker weglächeln. Paulo Barbosa tat genau das und reagierte erst gar nicht auf die unsinnigen Äußerungen seines Vorgängers.