Überzeugende Transformation
Scott Fields vertont Harvey Pekars Comics
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Uwe Bräutigam
Scott Fields
beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Umsetzung von Literatur in Musik. Ein Beispiel dafür ist seine Beckett Suite, die er auf dem Achtbrücken Festival 2017 im Stadtgarten Köln aufführte. Nun hat er die berühmten "American Splendor" Comics von Harvey Pekar (1939-2010) in Musik übersetzt. Während Fields bei der "Beckett Suite" jedes Wort von "Warten auf Godot" in Musik umsetzte, ließ er bei seinem neuen Werk "Pekar" die Texte von Harvey Pekar von einer Erzählerin,
Tamara Lukasheva
, vorlesen. Gleichzeitig wurden die entsprechenden Comic-Bilder mit dem jeweiligen Text auf den Bühnenhintergrund projiziert. Ebenso wie bei der "Beckett Suite" handelte es sich bei der Komposition um notierte Programmmusik, und der Improvisationsanteil war minimal.
Die Komposition vertont Harvey Pekars alltägliche Lebenssituationen, wie er sie in seinen Bildergeschichten schildert, und übernahm die Texte wortgetreu direkt aus den Comics. Fields hatte für "Pekar" ein ungewöhnlich besetztes Ensemble zusammengestellt: Er selbst an der E-Gitarre, Florian Stadler am Akkordeon, Shiau-Shiuan Hung an der Marimba, Maxime Morel an der Tuba und
Tamara Lukasheva
als Sängerin. Die Musik wurde vor allem in den Passagen, in denen
Tamara Lukasheva
den Text rezitierte, zurückgenommen, um der Stimme von Lukasheva Raum zu geben. "Pekar" ist eine mehrteilige Suite. Jeder Satz der Suite vertonte eine Kurzgeschichte von Harvey Pekar und wurde mit einer Ouvertüre eröffnet, zu der das jeweilige Titelblatt von "American Splendor" projiziert wurde. Bei diesen rein instrumentalen Teilen wurde die Musik deutlich intensiver und furioser, zum Teil sogar etwas rockig.
Alltagsgeschichten in Musik umgesetzt
Nach den Ouvertüren begannen die autobiografischen Handlungsskizzen, in denen die Instrumente die kurzen Alltagsepisoden musikalisch nachstellten und
Tamara Lukasheva
den Text las. Fields setzte für den gleichförmigen Teil von Pekars Tagesablauf ostinate Figuren ein, meist von Gitarre und Marimba gespielt, mit Einwürfen von Akkordeon und Tuba. An den Stellen, wo Pekar sich ärgerte oder in Schimpftiraden ausbrach, benutzte Fields sprunghafte Motive. Selbstreflexion oder wehmütige Gefühle setzte er mit Walzer- und Balladenmotiven um. So gelang es ihm sehr lebendig und nachvollziehbar, die verschiedenen Geschichten aus dem Alltag von Harvey Pekar musikalisch umzusetzen, ohne dabei schematisch zu werden.
Jede Geschichte hat ihren eigenen Verlauf, und so war auch die Musik durchaus unterschiedlich. In sehr feinen Nuancen stimmte Fields seine Musik ab, dabei entstanden viele eindrückliche Momente, etwa bei Duetten von Marimba und Akkordeon, von Gitarre und Marimba oder bei den feinfühligen Akzenten der Tuba.
Scott Fields
schaffte es mit seinem Ensemble, in dem lauter erfahrene Musiker*innen sind, den Comics von Harvey Pekar eine neue, zusätzliche Dimension zu geben. Mit "Pekar" hat
Scott Fields
musikalisches Neuland betreten; eine Umsetzung von Comics in Musik hat es bisher noch nicht gegeben. Das Verfahren erinnert ein wenig an die musikalische Begleitung von Stummfilmen, mit dem Unterschied, dass hier auch Texte eingesetzt werden. Die Musik des
Scott Fields
Ensemble bewegt sich an der Schnittstelle von Jazz, zeitgenössischer Musik und Americana. Die wunderbare Stimmkünstlerin
Tamara Lukasheva
hätte sicher noch etwas mehr Raum für experimentelles Singen bekommen können; die regelmäßigen Rezitationen wirkten stellenweise etwas eintönig. Davon abgesehen ist "Pekar" von
Scott Fields
eine sehr gelungene Umsetzung von Literatur in Musik bzw. von Comics in Musik.