Bild für Beitrag: Überragend und bewegend | Daniel Herskedal Trio auf Schloss Horst
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Überragend und bewegend

Daniel Herskedal Trio auf Schloss Horst

Gelsenkirchen, 11.10.2022
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Tim Dickeson

Kann ein Raum mit mehr musikalischer Energie angefüllt sein? Energie heißt im Fall des Trios um den norwegischen Tubaspieler, Trompeter und Komponisten Daniel Herskedal etwas ganz anderes als Kraftmeierei oder die solistische Zirkusshow. Im Schloss Horst nahm eine lyrisch berührende, manchmal hypnotische Schwingung das Publikum in eine andere Sphäre mit.

„Habt ihr eure Leute dafür bezahlt, dass die so ausgerastet sind?“ sollte Herskedal hinterher mit grinsendem Gesichtsausdruck fragen. Definitiv war das nicht der Fall – allein die Macht der Musik hatte das Publikum gepackt, so ähnlich wie schon mal im Jahr 2019 in der Schwarzkaue - aber irgendwie doch ganz anders. Und wieder ganz neu! Die Kunde vom einzigen Konzert in NRW einer der gefragtesten Bands im zeitgenössischen Jazz aus Norwegen hatte als Publikumsmagnet gewirkt. Wenn sich Herskedals Kult-Trio – mit allein 10 Millionen Spotify-Zugriffen – ansagt, ist der Einzugsbereich deutschlandweit und sogar darüber hinaus.

Daniel Herskedal, Tuba, Bass trumpet, Pianist Eyolf Dale und Helge Andreas Norbakken, Drums und Percussions blieben bei der aktuellen Neuauflage im Rahmen der FineArtJazz-Konzertreihe nichts schuldig von dem, was den Ruf dieses Trios ausmacht.

Die Musik baut ihren unnachahmlichen Flow auf, der hinter der ganzen Instrumentenbeherrschung der drei kreativen Norweger steht - und in der eine Band als Ganzes zu einer organischen Stimme wird, ja in bestem Sinne als Ganzes „singt“.

Sensibilität auf Traumlevel

Herskedal konterkariert jedes Klischee, was diesem größten Blechblasinstrument normalerweise anhaftet. Mühelos schraubt sich das Spiel in hohe, manchmal höchste Tonlagen rauf - und dies in beweglichster Phrasierung. Multiphonics-Effekte pflanzen die menschliche Stimme in diesen Sound ein, Zirkularatmungen sorgen für didgeridoohaftes Fauchen. Manchmal wechselt Herskedal zur Basstrompete, was den Tonraum nach oben erweitert. Sensibilität auf Traumlevel dominiert auch beim Pianisten Eyolf Dale, was vor allem der Ausgestaltung der Hintergrundfarben zugute kommt, aber auch, wenn er mit manch brillant funkelndem Solo nach den Sternen greift. Zum extrovertierten Hauptakteur auf Schloss Horst wurde über lange Strecken der Schlagzeuger Helge Andreas Norbakken. Nicht etwa, weil er mehr Rhythmiker ist als die anderen - denn gerade die präzise leichtfüßige rhythmische Fokussierung zeichnet doch die Qualität des Herskedal-Trios im Ganzen aus. Norbakken agiert als Klangmaler, setzt treffsicher diverse Anspielungen auf afrikanischen Djemben und zwei Auto-Stahlfelgen, was an karibische Steeldrums erinnert.

An einer gemeinsamen Sache dran

Musikalische Fantasiereisende sind die drei Norweger allemal! Im Zentrum des Konzerts steht – natürlich- das neue, fabelhafte Album des Labels Edition Records. Damit ist der Sound des Trios noch geerdeter geworden, was auf Schloss Horst unmittelbar erfahrbar wird. Elektronische Spielereien befinden sich im Rückzug. Dadurch gibt es die fabelhafte, immer der gemeinsamen Sache verpflichtete Instrumentenbeherrschung noch ungefilterter. Neue Einflüsse, die so vorher noch nicht zu hören waren, etwa archaische Facetten aus der Sami-Kultur, werden zu neuen Stationen auf dem Weg. Wirkungsvoll verschmelzen Blasinstrumente, Klavier und oft auch die Perkussion - zu weit gespannten Unisono-Linien. So kommen auch nahöstliche Gefilde in den Fokus, nicht nur in melodischer, sondern ebenso rhythmischer Hinsicht. Und ja: im späteren Verlauf des Konzertes wurde es dann auch mal so richtig fett beatlastig.

Licht und Raum als Mitakteure

Eine Musik, die so viel lyrische Sinnlichkeit verströmt, braucht eine wirkungsvolle Lichtregie – klar, dass auf Schloss Horst nichts dem Zufall überlassen wird. Die archaische Fassade des alten Rennaissance-Schlosses pulsiert in vielfarbigen Beleuchtungsvarianten. Der Raum, vor allem ein solch geschichtlich bedeutsamer wie das Schloss Horst, ist ja immer auch ein Mitakteur.

Und dann war da an diesem Abend noch eine ganz besondere Begegnung. Tim Dickeson, Jazzfotograf aus Cardiff und seit Jahren mit Bernd Zimmermann und Susanne Pohlen von PublicJazz events befreundet, traf dort auf die Musiker, die er vor über 10 Jahren entdeckte und auf dem von ihm gegründeten Label "Edition Records" erstmalig veröffentlichte.

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