Udo Moll`s ENIAC Girls
The Early Days Of Computer
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Uwe Bräutigam
Der Trompeter und Komponist Udo Moll spürt im Kölner Stadtgarten mit einer audiovisuellen Konzertperformance aus elektronischer und akustischer Musik, den Anfängen des Computerzeitalters nach. Es gibt einen so großen Publikumsandrang, dass noch zusätzlich bestuhlt werden muss.
Udo Moll ist als Trompeter, Soundartist und Komponist eine feste Größe in der Kölner Jazz- und Improvisationsszene. Er studierte in Köln bei Manfred Schoof Jazztrompete und Komposition bei dem Stockhausen Mitarbeiter Johannes Fritsch. Udo Moll spielt in verschiedenen Formationen mit, leitet die Band das mollsche gesetz und hat auf allen wichtigen Festivals vom Moers Festival bis zum WDR Jazzfest gespielt.
Seine Komposition ist den sechs Frauen* gewidmet, die den ENIAC ( Electronic Numerical Integrator and Computer), den ersten vollelektronischen Rechner der Welt 1946-1948 programmierten. Der ENIAC nahm eine Fläche von 10m x 17m ein, wog 27 Tonnen, enthielt 17468 Elektronenröhren und schaffte 5000 Rechenoperationen pro Sekunde. Das war damals eine riesige Leistung. Für heutige Maßstäbe ist das ein Witz. Ein modernes Smartphone von wenigen Zentimetern Abmessung schafft über 20 Milliarden (!) Operationen in der Sekunde.
Udo Molls Performance besteht aus einer live geschriebenen Textprojektion, einem Ensemble aus Vibraphon, Marimbaphon, Xylophon und Perkussion, Hammondorgel und Analogsynthesizern sowie einer elektronischen Klanginstallation mit den Original Stimmen der “ENIAC Girls“. Das Wechsel- und Zusammenspiel von Rie Watanabe und Dirk Rothbrust, Mitglieder des Ensemble Musikfabrik, an den Schlagwerken und Trommeln, sowie Florian Ross an der Hammond B 3, Udo Moll an Modularsythesizer und Elektronik und Heinrich Baumgarts live Typing, schafft eine faszinierende Konzertperformance. Am Mischpult sitzt der Elektronikmusiker und Komponist Florian Zwißler. Die Komposition schafft ein offenes Format in dem Elektronik auf Akustik, Technikgeschichte auf Musik und Visuelles auf Akustisches trifft. Der große Anteil der akustischen Musik, der Schlagwerke und Trommeln, als Gegengewicht zur elektronischen Musik, gibt der Performance eine gewisse Wärme. Die Elektronik repräsentiert die Technik und die Akustik den Menschen.
Moll hat die Komposition den Menschen oder genauer den sechs Mathematikerinnen gewidmet, die diesen Computer programmierten. Ihr Anteil an der Entwicklung des ersten elektronischen Großrechners wurde jahrelang einfach negiert. Während die Leistung aller Männer an der Entwicklung des ENIAC gewürdigt wurde, fiel der nicht unbedeutende Anteil der Frauen über Jahrzehnte unter den Tisch. Es war Krieg und die sechs Mathematikerinnen gehörten ursprünglich zu einer Gruppe von Frauen, die ballistische Berechnungen für die Bahn von Geschossen ausführten. Um diese aufwendigen Berechnungen zu automatisieren wurde der ENIAC entwickelt. Diesen ENIAC Girls setzt Udo Moll mit seiner Komposition ein musikalisches Denkmal. So durchzieht auch das Thema der Gleichberechtigung implizit die gesamte Konzertperformance. Eine ältere Zuhörerin im Stadtgarten sagte nach dem Konzert ganz empört, dass diese Performance nun überall in den USA und vor allem in der Armee aufgeführt werden müsse.
*Kay McNulty, Betty Jennings, Betty Snyder, Marlyn Wescoff, Frances Bilas und Ruth
Teitelbaum.
Nächste Konzert mit Udo Moll:
21.02.201720.30 Uhr, Vanitas - Moll & Nillesen plus URGE Trio (Chicago), Köln - LOFT