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Da ging die Sonne auf

Triosence in der Scharoun-Aula

Marl, 16.04.2024
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper

Selten konnte sich ein Jazzkonzert in Marl über so viel auswärtiges Publikum freuen. Sobald Triosence auf der Bühne der Marler Scharoun-Aula loslegte, entfaltete sich die typische „Triosence-Harmonie“ zwischen dem Pianisten Bernhard Schüler, dem kubanisch-deutschen Bassisten Omar Rodriguez Calvo und Schlagzeuger Tobias Schulte. Die prächtige Lichtregie von Melanie Drüke setzte das atmosphärische i-Tüpfelchen obendrauf, damit Musik, Raum und Emotionen ein großes Ganzes bildeten. Unmittelbar vor dem Auftritt in Marl war Triosence gerade auf China-Tournee gewesen. Wie groß der Einzugsbereich dieses Erfolgs-Trios ist, zeigten die vielen auswärtigen Kennzeichen auf dem Parkplatz. Aus Schleswig-Holstein und den Niederlanden waren Fans sogar mit dem Wohnmobil angereist.

Kultur aus Marl ist mehr als eine lokale Angelegenheit

Und ja - man konnte schon etwas verwundert sein, warum unter den vielen Zuhörenden in der Scharoun-Aula nur so wenig Publikum aus Marl selbst war, nachdem nun schon im zweiten Jahr die Konzerte von FineArtJazz hier laufen und die Scharoun-Aula auch Standort eines internationalen Festivals war. Worauf es noch mehr ankommt: An diesem Freitagabend wurde umso verdienstvoller der Außenwelt gezeigt, dass Marl in der Lage ist, seine prominenten Architekturdenkmäler mit relevanter Gegenwartskultur zu bespielen.  Marls historischer Ruf als visionärer Kulturort (für den die Scharoun-Aula ein prominentes Architekturdenkmal ist), hat sich viel zu lange als „lokale Angelegenheit“ versteckt. Die Partnerschaft mit der FineArtJazz-Reihe ist hier ein hilfreicher - für Marl sogar extrem kostengünstiger - Durchlauferhitzer, dass sich langfristig was ändert.

Auf Triosence ist Verlass. Beflügelt vom Farbenspiel und der Energie des Raumes, liefen Pianist Bernhard Schüler, der kubanische Bassist Omar Rodriguez Calvo und der Schlagzeuger/Percussionist Tobias Schulte zu ihrer vertrauten Höchstform auf, auch wenn sie es mit der Gefälligkeit ihrer Melodien gerade vor der Pause doch etwas übertrieben. Wenn Bernhard Schüler seine weiträumigen, silbrig glänzenden Tongirlanden am Flügel ausbreitet, tragen die Wurzeln eines Keith Jarrett reiche Früchte, ebenso wie immer wieder die Kultiviertheit eines Bill Evans aufblitzt. Alles wäre nichts ohne den Kontrabass von Omar Rodriguez Calvo. Kaum jemand in seiner Zunft entfaltet so eine richtungsgebende melodische Präsenz im eigenen Spiel. Der Kubaner war nicht zum ersten Mal auf der Bühne in der Scharoun-Aula, sondern hatte beim letzten „New Colours Festival“ in der Band von Ramon Valle einen hervorragenden Job gemacht. Und dann ist da diese vibrierende, leichtfüßig impulsive Rhythmusarbeit von Tobias Schulte, der allein schon viel erzählerische Kraft innewohnt. Und manchmal gehörte sogar eine Quietsche-Ente, die er an die Fußmaschine seines Hi-Hats anbrachte, zur Dramaturgie.

Hier hat niemand die virtuose Ego-Show nötig

Das alles treibt unangestrengt vorwärts und lebt von ausgewogener Gleichberechtigung, in der niemand in keinem Moment die solistisch akrobatische Ego-Show nötig hat. Zugegeben – manchmal wünschte man sich doch mehr Dramatik und subtile Spannung, die auch in freundlicher Musik allemal denkbar ist. Aber zunehmend, wo sich die drei der kollektiven Improvisationslust hingaben, ging umso nachhaltiger jene Sonne auf, welche sich Bernhard Schüler, Omar Rodriguez Calvo und der Tobias Schulte auch in der Toskana gesucht haben, um ihr aktuelles Album, bei dem auch der italienische Trompeter Paolo Fresu mitwirkte, aufzunehmen. Triosence verkörpert gewissermaßen Jazz für Einsteiger, dies aber auf höchstem Niveau und getragen von einer unablässig fantasievollen Improvisierlust, bei der jeder in wärmende Gefilde voller ausgesprochen „menschlicher“ Empfindsamkeit mitgenommen wird. Dass dies viel Wert hat, gerade in bedrohlichen Zeiten, belegten die Publikumsreaktionen in der Scharoun-Aula allemal.

Weitere Termine in NRW: Die Tour von Triosence geht weiter mit einem Gastspiel am 19.04.2024 im Rathaus von Achern, gefolgt von einem mehrtägigen Auftritt im Casino von Wittlich vom 20.04.2024 bis zum 24.04.2024. Im Mai setzt die Band ihre Tour fort und gastiert am 02.05.2024 im domicil in Dortmund, gefolgt von einem Auftritt am 03.05.2024 in der Harmonie in Bonn.



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