Bild für Beitrag: Traumhaftes Zusammenspiel | QUAT im Kunstmuseum Bochum
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Traumhaftes Zusammenspiel

QUAT im Kunstmuseum Bochum

Bochum, 15.09.2013
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | FOTO: Heinrich Brinkmöller-Becker

Der Reihe ‚Klangbilder’ um den Dortmunder Drummer und Percussionisten Martin Blume gelingt immer wieder Außerordentliches: International renommierte Musiker der improvisierten und/oder zeitgenössischen Musik zu einem Zusammenspiel zu bringen, das verschiedene Facetten dieser Musik von herausragenden Vertretern dieser Musikgattung zu einem faszinierenden Ganzen, zu einem konzentrierten Klangkosmos vereinigt. So auch in der 13. Ausgabe am Freitag, dem 13. im Kunstmuseum Bochum. Zu erleben ist an diesem alles andere als Unglückstag das Quartett QUAT. Diese deutsch-belgische Formation mit Fred van Hove am Flügel, Els Vandeweyer am Vibraphon und den beiden (!) Drummern und Percussionisten Paul Lovens und Martin Blume bedeutet soz. ein Drei-Generationen-Projekt. Der 76-jährige „Altmeister“ Fred van Hove gilt in der Impro-Szene als einer der legendären Ur-Väter des freien Jazz, seitdem er in den 60er Jahren mit Peter Brötzmann, Peter Kowald und Mani Neumeier den Weg zum Freejazz fand und in der Folgezeit mit so gut wie allen bekannten Namen der Szene zusammenspielte. Ähnliches gilt für den Aachener Paul Lovens, der mit bekannten Protagonisten der Improvisationsmusik wie Alexander von Schlippenbach oder im Duo mit Cecil Taylor als ein weiterer Pionier der freien Musik gilt. Den Dortmunder Martin Blume am Schlagzeug braucht man in dieser Region nicht extra vorzustellen, ist er doch immer wieder in den verschiedensten Musikprojekten initiativ eingebunden. Das klassisch ausgebildete Multi-Talent Els Vandeweyer (Vibraphonistin, Schlagzeugerin und Komponistin) ist die Jüngste (Jg. 82) in dem Quartett.

In dem Zusammentreffen der Musiker aus der Früh- und Neuzeit der Avantgarde von „Free“ im Kunstmuseum Bochum vollzieht sich in dem für das Klangbilder-Projekt üblichen Format von zwei langen Sets und (meistens) einer Zugabe ein geradezu wundersames Konzert. Es beginnt mit einem allmählichen Herantasten, zunächst bestimmt von wenigen schnellen Läufen des Piano, in das Paul Lovens und Martin Blume – mit ihrem Drum- und Percussion-Set im örtlichen und musikalischen Sinne flankierend - einsteigen. Das Gleiche gilt für das zunächst noch an den Klavierklang angelehnte Vibraphon. Nach kurzem Atemholen werden die Wellen der Klangkaskaden bei allen Vieren immer angereicherter, bei allen vollzieht sich ein in seiner Virtuosität und Klangvielfalt eigentlich hoch individualisiertes Spiel, das in traumhafter Weise jedoch trotz dieser multiplen Quellen zu einem filigranen und kunstvoll verschränkten Klanggeflecht verwoben wird. Dazu trägt sicherlich bei, dass die vier sich gut kennen und in verschiedenen anderen Konstellationen immer wieder miteinander musiziert haben. Das Quartett wirkt eingespielt, was für seine Reife spricht, was jedoch nie in eine Wiederholung von Phrasen oder Pattern abdriftet. Das virtuose Spiel der Vier spiegelt einen scheinbar mühelosen Rückgriff auf ein schier endlos wirkendes Reservoir an musikalischen Techniken und Ideen. Diese werden nur in kurzen Pinselstrichen von Klängen, Linien und rhythmischen und harmonischen Ansätzen angedeutet, um in einem Vexierspiel überzuleiten in eine nächste Figur. Schemenhaft blitzen mal vom Klavier, mal vom Vibraphon, mal von den Drums bestimmte Linien auf, es ist nicht zu unterscheiden, wer jeweils einen Impuls vorgibt, kometenhaft lösen sie sich sogleich wieder auf, bevor sie auch nur annähernd in ein Klischee erstarrten. Verblüffend dabei die pure Energie, die die Vier in den sich steigernden Phasen entwickeln und zu einem jeweiligen Höhepunkt verdichten. Warum man beim Zuhören trotz des ästhetischen Individualismus’ der Einzelmusiker immer den Eindruck haben muss, dass es sich bei QUAT um eine „einheitliche“ Klangsignatur handelt, liegt sicherlich an der meisterlichen Musikalität und Kreativität der Vier.

Noch stärker als auf der gerade von QUAT erschienen CD ‚Live at Hasselt’ kann die Jüngste im Quartett überzeugen, ja geradezu mitreißen. Erstaunlich ist, wie Els Vandeweyer die jahrzehntelangen Erfahrungen ihrer männlichen Mitstreiter mühelos aufgreift und weiter verarbeitet und nicht unwesentlich zu dem klanglichen und motivischen Reichtum der Gesamtperformance beiträgt. Nie um des bloßen „platten“ Effektes, sondern immer um eine wirkliche Erweiterung des musikalischen Spektrums willen spielt sie hochvirtuos und phantasievoll modulierend mit den Möglichkeiten des Instruments. Auch wenn sie zusätzlich zu den Schlägeln mit Stangen, Metallplatten, Ketten operiert oder mit einem Spezialhandschuh ihre zehn Fingerkuppen einsetzt, erkennt man in der in Berlin lebenden Musikerin ein Riesentalent.

Die Zugabe beginnt zunächst mit einer an Monk erinnernden Weise, die jedoch schnell in einen freien Modus überführt wird, bei dem noch einmal alle Vier zur Hochform der energetischen Konzentration auflaufen. Die begeisterten Zuhörer wünschten sich ein Mehr an dieser im wahrsten Sinne wundervollen Performance.

Dank der anschließenden Führung von Sepp Hiekisch-Picard vom Bochumer Kunstmuseum durch die aktuelle Fotoausstellung „concrete poetry – BRIDGES“ mit ihren verschiedenen Blickweisen auf die Emscher-Region wird das Publikum von der akustischen, eher traumwandlerischen Erlebniswelt von QUAT in die visuelle überführt – eine übrigens dankenswerte Initiative des traditionell der freien Musik verschriebenen Museums, sich in diesem doppelten Sinne zu öffnen.

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