Transmediale Magie im Arttop
Gunter Hampel German Trio in Bochum
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | FOTO: Heinrich Brinkmöller-Becker
‚Magic Touch’ ist der Titel eines in mehrfacher Hinsicht denkwürdigen und spannenden Abends in den Rottstraße 5-Kunsthallen in Bochum. Zu Gast ist das Gunter Hampel German Trio des Altmeisters Gunter Hampel. Wie der Bandname bereits aussagt: Es handelt sich nicht um die Gunter Hampel Galaxie Dream Band, sondern um ein deutsches Trio, das der in der europäischen und New Yorker Jazzszene bestens verankerte und hochgeschätzte 76-Jährige Multiinstrumentalist und Komponist Gunter Hampel mit den Youngstern Julius Gabriel an den Saxophonen und Karl Degenhardt am Schlagzeug für eine Tournee im Ruhrgebiet mit den Stationen in Oberhausen, Essen, Duisburg und Bochum gebildet hat. Ergänzt wird das Trio um den brasilianischen Tänzer und Folkwang-Schüler Danilo Cardoso. Letztere Erweiterung der musikalischen Performance ist für den, der Gunter Hampel kennt, nichts Ungewöhnliches, gibt der Göttinger, in Berlin und New York beheimatete Hampel seit 1972 regelmäßig Workshops mit Kindern, in denen er mit der Music+Dance Improvisations Company durch die Kombination von Bewegung und Improvisation in kollektives Jazz-Improvisieren einführt. Im Gespräch erläutert er, wie beglückend diese Erfahrung sei, wenn er mit einem Ball Kindern die dialogische Grundstruktur des Improvisierens beibringt und dies genauso von diesen schnell erkannt und in Musik und Bewegung umgesetzt wird.
In dem Gewölbe der Rottstraße 5-Kunsthallen ahnt man sehr schnell, wie das gemeint ist: Der Kunst-Raum wird von den Musikern und dem Tänzer als Spiel-Raum genutzt. Die Kompositionen – sämtlich von Gunter Hampel – wie das titelgebende ‚Magic Touch’ oder ‚Approachable’ oder der Calypso ‚Turbulenz’ geben Gunter Hampel an der Bassklarinette und Julius Gabriel mit seinem Vintage Tenorsax oder Karl Degenhardt mit der Trommel vielfältige Gelegenheit, Danilo Cardoso nicht nur musikalisch, sondern auch aktional im wahrsten Sinne zu begleiten, indem Musiker und Tänzer sich raumgreifend gemeinsam bewegen. Besonders eindringlich ist dies, wenn der drahtige Komponist mit seiner Querflöte im Duo mit dem Tänzer eine Art musikalisch-tänzerischen pas de deux mit Bravur hinlegt. Ebenso faszinierend sind die Saxophon-Bassklarinette-Duette, bei denen Gunter Hampel mit seinem ehemaligen Schüler zusammenspielt und es hierbei so richtig groovt, dass bei aller hochartifiziellen Musik beim Publikum Bewegungsreflexe ausgelöst werden. Dies gilt auch für die rein musikalischen Acts, wenn Schlagzeug, Saxophone und das Vibraphon schwingen und die Kompositionen Gunter Hampels als Vorlage für freie Improvisationen dienen. In diesem Sinne spürt man den Anspruch von Gunter Hampel: Er möchte seine Musik zwar nicht als free jazz verstehen, sie kommt jedoch in seinem Spiel, in seiner Interaktion mit Julius Gabriel und Karl Degenhardt und Danilo Cardoso als ausgesprochen frisch und befreiend an - befreiend für Körper und Seele. Er erweist sich als ein ständiger Erneuerer, dem die Zukunft des Jazz, der improvisierten oder freien Musik sehr am Herzen liegt, der deshalb mit Kindern arbeitet, der ganz bewusst in seinen Gruppierungen wie jetzt auch im aktuellen Trio immer wieder junge Musiker einbezieht und sie somit fördert. Es entsteht in der Tat eine Magie, die der spartenübergreifenden vitalen Performance, sicher auch sehr stark der ausgesprochen sympathischen Nahbarkeit von Gunter Hampel seinen Mitspielern und dem Publikum gegenüber geschuldet ist.
Dies korrespondiert voll und ganz mit dem Ansinnen von Georg Mallitz und seinem Team, die Rottstraße 5-Kunsthallen in Bochum als einen transmedialen Kunstraum, als ein Biotop für verschiedene Kunstformen, in diesem Sinne als „Arttop“ zu etablieren, das freie Musik, Tanz, Bewegung und bildende Kunst zu einem Ort der Genregrenzen überschreitenden Performanz zusammenbringt. Mit Gunter Hampel und seinem Trio ist ihm dies als Auftakt voll und ganz gelungen. Die weiteren Pläne der Veranstalter dazu lassen aufhorchen und für die Zukunft der Kunsthallen viel versprechen. Man wünscht diesem neuen Veranstaltungsort und der neuen Veranstaltungsart in Bochum gerne gutes Gelingen.