Trans4JAZZ-Festival 2021
So klingt Baden-Württemberg
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Hans Bürkle
Ein kleiner Verein machte in den 1990er Jahren den Anfang, heute ist das Trans4JAZZ in Ravensburg eines der tonangebenden Jazzfestivals in Süddeutschland. Christoph Giese, unser fleißiger Jazzkorrespondent von überall auf der Welt, ließ sich die aktuelle Ausgabe nicht entgehen...
Ausgerechnet ihr Foto ist auf allen in der Stadt aufgehängten Plakaten und auch im Programmflyer vorne drauf. Eigentlich ja eine gute Wahl, denn diese Frau ist nicht nur eine der bekanntesten Jazzsängerinnen weltweit, sondern auch eine der exaltiertesten. Was man natürlich auch auf ihren Fotos sieht. Dee Dee Bridgewater ist eben ein echter Hingucker. Aber die Amerikanerin, die das längst ausverkaufte Auftaktkonzert des diesjährigen Trans4JAZZ-Festivals bestreiten sollte, sagte kurzerhand wegen Corona ihre ganze Europatour ab.
So saß das Ravensburger Publikum eben erst einen Tag später als geplant erstmals im wunderschönen und ausverkauften Konzerthaus, um einer europäischen Supergroup zu lauschen, „Rymden“ – die Band der beiden Schweden Magnus Öström am Schlagzeug und Dan Berglund am Kontrabass sowie des norwegischen Tastenmannes und Soundtüftlers Bugge Wesseltoft. Seit ein paar Jahren nun spielt man im Trio zusammen und der gemeinsame Sound entwickelt sich immer mehr. Er bietet nach wie vor viel Raum für die eigene Individualität, aber wirkt oft herrlich dicht zusammen wenn die drei Skandinavier wunderbar zwischen Jazz, Fusion und Elektronik musizieren, sich zwischen melancholischen, poetischen, melodieverliebten Momenten und elektronischen Statements und mächtigen Beats und Rhythmen die Bälle gegenseitig zuwerfen.
José James ist auch so ein Chamäleon, das seine musikalischen Farben während eines Konzertes zu variieren weiß. Da steht der Sänger auf der Bühne des Ravensburger Konzerthauses und singt ein süßliches, balladeskes Duett mit Gastsängerin Taali und man denkt: ganz okay, aber auch nicht wirklich mehr. Doch dann zeigt der Amerikaner was er wirklich gut kann. Lieder aus dem Repertoire von Bill Withers singen etwa. Als Songwriter hat er es auch drauf („Trouble“). Aber der stärkste Moment des Konzertes ist kurz vor seinem Ende, in einer Langversion des Liedes „Park Bench People“, das auf Freddie Hubbard´s Klassiker „Red Clay“ basiert. Da gibt seine Klasse-Band um den fantastischen Drummer Richard Spaven noch einmal mächtig Gas und José James scattet und rappt zu den treibenden Beats, das man vor Verzückung lächelt.
Viel ruhiger und entspannter musiziert da bei der Sonntagsmatinee das Duo des ungarischen Gitarristen Ferenc Snétberger und des dänischen Bassisten Jesper Bodilsen. Eigentlich sollte der Schwede Anders Jormin den Bass bedienen, aber der fiel familiär bedingt kurzfristig aus. So kam es in der Linse in Weingarten zur Premiere dieser beiden Musiker auf einer Bühne, die mit luftigen Melodien und wunderschönen Zwiegesprächen feinsten, virtuosen Jazz zelebrierten. Den stürmischsten Applaus holte sich in diesem Jahr das „Herbert Pixner Projekt“ ab, das für den Schlussakkord des Festivals sorgte. Und wie. Mit seiner so vielschichtigen Instrumentalmusik aus den Alpen, die mal bluesig, mal nach Flamenco, Rock oder Gypsy schielt und dabei immer wieder volkstümlich klingt, packen der gebürtige Südtiroler Akkordeonist und Multiinstrumentalist Herbert Pixner und seine Band das Publikum immer wieder.
Und wann hat man Simon & Garfunkels „The Sound Of Silence“ derart spannend bearbeitet gehört wie in der Version von „Ameli in the woods“, der Band um die aktuell in Berlin lebende Stuttgarter Sängerin und Keyboarderin Franziska Ameli Schuster, Landesjazzpreisträgerin 2020 von Baden-Württemberg. Abgesehen von diesem Coversong gibt es bei ihrem Konzert in der atmosphärischen Zehntscheuer mit ihrem Quartett, in der Bruder Sebastian Bass, Fender Rhodes und ebenfalls Keyboards bedient, nur eigenes Material zu hören. Songs, die sich einer engen Kategorisierung geschickt entziehen und dabei eine poppige Attitüde und elektronische Bearbeitungen mit erfrischendem, modernem Jazz paaren. Und von der charismatischen Ausstrahlung von Franziska Ameli Schuster geprägt sind, auch wenn ihre drei Mitstreiter ebenfalls mehr als zu gefallen wissen. Dieses junge Quartett, das im kommenden Jahr sein Debütalbum herausbringt, sollte man sich merken. Eine echte Entdeckung in Ravensburg.