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TRANCEZUSTÄNDE

Hauschka und Kai Angermann im Ruhrfestspielhaus

Recklinghausen, 15.06.2023
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper

Hauschka, bürgerliche Volker Bertelmann und der Perkussionist Kai Angermann zogen das Publikum im Recklinghäuser Ruhrfestspielhaus in einen hypnotischen Sog hinein. Im Herbst kommt ein neues Album.

Seit Beginn der 2000er Jahre hat Volker Bertelmann alias Hauschka einen experimentellen Klaviermusikstil zwischen Minimal, Trancemusik und lyrischen Elementen kreiert. Zugleich ist
der gebürtige Siegerländer als Filmkomponist viel gefragt und bekam in diesem Jahr einen Oskar für die Musik zur opulenten Neuverfilmung von Erich Maria Remarques Antikriegs-Roman „Im Westen nichts Neues" (Regie Edward Berger). Glamouröse Laufstege sind dem erfolgreichen Düsseldorfer Musiker, der auch schon beim Moers-Festival auftrat, nicht wichtig. Denn dafür fühlt er sich viel zu sehr als improvisierender Live-Musiker. Was er konkret darunter versteht, demonstrierte er nun schon zum zweiten Mal in einem Konzert bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen - im eingespielten Duo mit dem Mallet-Spieler und Perkussionisten Kai Angermann.

Aus einer rätselhaften Sphäre

Einzelne Töne sind wie Morsezeichen, die aus einer rätselhaften Sphäre zu funken scheinen. Eine gläsern anmutende Tonfolge vom Vibrafon legt sich darüber. Noch metallischer und filigraner klingen die Klaviersaiten, die sich jetzt, eigenwillig abgedämpft, darüber legen. Zunehmend rhythmisiert sich das ganze und verdichtet sich durch subtile Verstärkung der Betonung einzelner Zählzeiten. Jede Intervallfolge generiert eine neue emotion. Gerade das lässt den Fluss dieser eigenwilligen Mechanik aus Rhythmen und Sounds so intensiv, ja ergreifend wirken. Oft lässt sich kaum noch ermitteln, was gerade von welchem Musiker und welchem Instrument erzeugt wird. Genau darum geht es ja. Eben nicht um diese und zahllose weitere Details der physischen Klangerzeugung und -bearbeitung im Einzelnen, sondern um die hypnotisierende Mischung, die daraus entsteht. Hauschkas Personalstil ist ein Zustand für sich, beruhend auf einem klar definierten, aber in endlosen Variationen sich erneuernden Prinzip. Das alles erzeugt - erweitert durch die brillante Interaktion mit dem Rhythmiker Kai Angermann - auch im Recklinghäuser Ruhrfestspielhaus einen wohligen Trancezustand.

DJ-Musik als Inspirationsquelle

Wenn hier Filme im Kopf frei gesetzt werden, geht es am allerwenigsten um „Show" dabei. Stattdessen eher darum, was ein DJ im ursprünglichen Sinne in Bezug auf ein höheres, partizipatives Ganzes verkörpert. Hauschka hat viel Inspirationskraft aus der repetitiven DJ-Musik gezogen. Seine ersten Veröffentlichungen erschienen beim Kölner Techno-Label „kompakt". Aber wenn auch viel Elektronik, vor allem raffiniert eingesetzte Loop-Technik, zum Einsatz kommt, so bildet das Klavier nach wie vor das kreative Epizentrum. Für Volker Bertelmann ist dies aber mehr als „nur" ein Instrument. Eher ein komplexer Organismus, der vor allem innen drin bislang selten ausgekostete physische Möglichkeiten offenbart. Was alles zur Klangmanipulation dazu gehört, wird beim letzten Stück des Duos auch optisch sichtbar: Da steht Volker Bertelmann auf und beginnt, sämtliche Kleingegenstände aus Holz, Metal, Plastik, Gummi etc. aus dem Innenleben des Flügels heraus zu zupfen - und er hat einiges zu tun angesichts der Menge an Dingen, die überall, auf, unter und zwischen den Saiten die Schwingung abdämpfen, verzerren, verbiegen. Als er damit fertig ist, erklingt eine Melodie - im ganz traditionellen Sinne. Romantisch angehaucht und einfach „schön".

Eine erfolgreiche Eroberung des Publikums

Das Publikum, das vermutlich an diesem Abend an diesem Ort nicht aus Insidern in Sachen experimenteller Musik bestand, war längst durch die atmosphärische Dichte dieser Darbietung erobert und applaudierte ergriffen eine halbe Ewigkeit lang. Die Zugabe machte dann nochmal im avantgardistischen Stil der vorangegangenen Endlos-Stücke weiter. Aber statt zahlreicher Kleingegenstände besorgt jetzt eine Plastikfolie die nötige Klangmanipulation, um neue „Schwebezustände" zu erzeugen.



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