Traditionspflege
Wynton Marsalis & Jazz at Lincoln Center Jazz Orchestra
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Christoph Giese
Dortmund, 10.02.2016. Die Rhythmusgruppe kommt auf die Bühne des fast ausverkauften Konzerthauses. Und ein paar Bläser seines „Jazz at Lincoln Center Orchestra“ bringt Wynton Marsalis auch noch mit zu Beginn. Man macht es sich gemütlich zwischen den anderen, leeren Stühlen und blickt musikalisch erst einmal weit zurück.
Zum New Orleans Jazz, zum Ragtime. Klassisch gespielt. Ohne Schnörkel, ohne einen Hauch von Moderne. Außer einmal, da springen die Musiker mal kurz in einen coolen Swing-Rhythmus hinein für ein paar Takte.
Ansonsten ist Traditionspflege angesagt. Mit Stücken von Jerry Roll Morton oder King Oliver. Mit großer Seriosität, aber auch hoher Klasse vorgetragen. Dafür genau steht ja dieser Wynton Marsalis, einer der berühmtesten Jazzmusiker der Gegenwart und großer Verfechter der Jazztradition.
Doch nach der Konzertpause, in voller, 15-Köpfiger Besetzung, zeigt dieses Orchester, welch fantastische und auf der Höhe der Zeit musizierende Combo sie auch sein können. Die Saxofonisten Victor Goines, Sherman Irby und Ted Nash oder Posaunist Chris Crenshaw entpuppen sich nicht nur als wahnsinnig gute Solisten, sondern dürfen reihenweise zeigen, welch fantastische, fantasievolle Komponisten sie sind.
Facettenreiche Stücke Musik, bisweilen suitenhaft, berauschen. Ineinander geschichtete Soundflächen in einem gemeinsamen Solo von Saxofonist Ted Nash und Trompeter Marcus Printup, reißen mit. Und Auszüge eines Werkes von Bandleader Wynton Marsalis für eine Baptistenkirche in Harlem bringt sogar den Gospel ins Konzerthaus.
Dass nach stehenden Ovationen des Publikums am Ende das Orchester zur Zugabe als ausgelassene Marchingband auf die Bühne zurückkommt und einem Crewmitglied ein lockeres Geburtstagsständchen intoniert – damit war zu Konzertbeginn nun wirklich nicht zu rechnen.