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Tradition and beyond

Brad Mehldau Trio in der Philharmonie

Essen, 04.10.2019
TEXT: Christoph Giese | 

Essen, 03.10.2019│ Was würde er an diesem Abend in der prächtig besetzten Philharmonie wohl alles so spielen mit seinem Trio? Pianist Brad Mehldau ist ja alles andere als ein Jazzpurist. Die Klassik interessiert ihn sehr, sie hat ihn hörbar beeinflusst. Und auf seinem aktuellen Album „Finding Gabriel“ treffen etwa Sprachsamples auf verzerrte Bässe, hört man dissonante Bläser.

In Essen wird es schließlich doch ein eher klassischer Jazzabend, auch wenn man das bei Brad Mehldau eigentlich so nicht sagen kann. Denn der US-Amerikaner spielt so raffiniert. Hinreißend wie er gleich im Auftaktstück „For David Crosby“ mit zweihändigen, kontrapunktischen Improvisation zweier unabhängig geführter Stimmen verblüfft. Um dann kurze Zeit später, in einer weiteren selbstgeschriebenen Nummer, „Good Ole Days“, das Publikum mitzunehmen auf eine Reise in den Jazz früherer Tage. Und gemeinsamen mit seinen beiden langjährigen kongenialen Partnern, Larry Grenadier am Kontrabass und Jeff Ballard am Schlagzeug, derart lässig und langsam swingt, dass es eine Freude ist.

Dem sicher mehr als tausendfach schon in allen Variationen interpretierten Liebeslied „Bésame Mucho“ der mexikanischen Komponistin Consuelo Velázquez gewinnt dieses Trio erstaunlich frische Seiten ab. Als einmal mehr lässig swingendes Stück Jazz, das durch ein flirrendes Solo mit den Schlagzeugbesen dann obendrein noch den richtigen Pfiff eingerührt bekommt.

Hibbelige Beats steuert Jeff Ballard dagegen in das treibende, das moderne, hektische Großstadtleben musikalisch nachzeichnende „Highway Rider“ ein. Um dann in eine forsch swingende Cole Porter-Nummer einzubiegen, in der alle drei Musiker noch einmal solistisch aufs Gaspedal drücken, um im Bild zu bleiben.

Ja, es war ein großer Jazzabend in der Philharmonie. Wegen seiner Fülle an Gestaltungsideen. Wegen der solistischen Zückerchen, aber auch der wunderbaren gemeinsamen Klangsprache. Brad Mehldau zeigt sich in Essen als eigenwilliger Traditionalist mit Seitenblick und einer sinnlichen Intellektualität.

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