Toshinori Kondo
Improvisation mit Poesie
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Uwe Bräutigam
Zwei Tage gastiert der legendäre japanische Trompeter in Bonn und spielt zusammen mit The Vagrancy Ensemble im Dialograum Kreuzung an St. Helena.Im Folgenden ein Bericht über das zweite Konzert am 14.5.17:
Matthias Schüller betritt mit seiner Posaune die Bühne und beginnt ein filigranes Spiel aus Luftgeräuschen und leisen Klängen. Die Schlagwerkerin Rie Watanabe kommt hinzu und lässt am Vibraphon stehend einen Motor leise surren. Ursel Quint setzt sich hinter ihr Laptop an die Elektronik und produziert mit einem hölzernen Kochlöffel Geräusche in einem Blechtopf.
Dann kommt ein kleiner Mann mit langen grauen Haaren und abgewetzter Kleidung herein, setzt sich hin, ergreift seine elektrisch verstärkte Trompete und spielt einige lang gehaltene Töne. Wenn er so in sich versunken auf der Bühne sitzt, die Trompete nach unten haltend, mit seinem vom Alter und Wetter gegerbten Gesicht, erinnert er an Miles Davis in seinen letzten Jahren. Auch dieser Mann ist eine Legende, Toshinori Kondo. Ende der Achtziger war ein Japan auf der Höhe seines Ruhmes, war in Kreditkartenwerbung und Fernsehshows gegenwärtig. Dann hatte er genug von diesem Rummel, stieg aus, ging nach Europa und lebt in Amsterdam. 1993 begann er ein Projekt, bei dem er mit seinem elektronischen Equipment in die Natur herausging um dort zu spielen. Er spielte in der Wüste Negev, in den peruanischen Anden und auf Okinawa und nannte sein Langzeitprojekt, das er bis heute weiterführt, Blow The Earth.
Toshinori Kondo war berühmt als Free Jazz Trompeter, der viele schnelle Läufe spielte. In der Natur entdeckte er, dass er sich mit lange gehaltenen Tönen besser mit der ihn umgebenden Landschaft verbinden kann. Diese Erfahrung hat seine Musik verändert.
Auch in Bonn improvisiert er auf seiner elektrischen Trompete besonders mit lange gehaltenen Tönen.
Nachdem Kondo angefangen hat zu spielen, füllt sich die Bühne, die beiden Schlagzeuger, Kuno Wagner und Karl Degenhardt und zwei Bassisten, Caleb Salgado und Georges Paul (einer der Initiatoren der In Situ Art Society) setzen langsam ein. Behutsame und feinsinnige Improvisationen entstehen. Stellenweise klingen die Trompete von Kondo und die gestopfte Posaune Schullers, wie ein Gesangsduett. Georges Paul entwickelt immer neue Figuren an seinem Kontrabass und Caleb Salgado steht ihm nicht nach, mit Bogen oder zupfend.
Nach und nach kommen die einzelnen Instrumente immer mehr zusammen und bilden einen perkussiven Klangteppich, über den Toshinori Kondo seine Trompete spielt. Die feinen Klänge werden immer temperamentvoller und gehen in ein Crescendo über, das sich wieder in subtile Klänge auflöst.
Das zweite Set wird mit einem Blow The Earth Solo von Toshinori Kondo eingeleitet. Im Hintergrund ist ein Film zu sehen, der zeigt wie Kondo mit einem Motorboot zu einer kleinen unbewohnten japanischen Insel fährt. Mit Begleitern und technischem Equipment landet er dort an und spielt Trompete. Blow The Earth. Der Film ist stumm gestellt und Kondo spielt dazu live. Der Film hat englische Untertitel und die vermitteln, dass Kondo den Wellen und der Strömung des Meeres mit seiner Trompete folgt. Aber auch ohne diese Information kann das Publikum hören, wie er den auf das wirbelnde Wasser oder auf lange Wellen mit seinem Spiel eingeht. Eine wunderbar lebendige Naturschilderung jenseits allen New Age Kitsches.
Als der Film zu Ende ist kommen die Musiker*innen des Vagrancy Ensemble nach und nach auf die Bühne. Zuerst beginnen die beiden Schlagzeuger, die mit feiner Perkussion die Trompete begleiten und in ein lyrisch-rhythmisches Duett einfallen. Rie Watanabe begleitet am Vibraphon und Caleb Salgado am Bass. Georges Paul hat den Bass mit dem Tenorsaxophon getauscht. Die Instrumente werden intensiver und kommen in ein wildes Miteinander. Aus dieser freejazzigen Passage entwickelt Georges Paul ein langes Saxophonsolo voller Spielideen. Im Folgenden spielt auch Salgado ein spannendes Basssolo. Gorges Paul wechselt nun vom Tenor- zum Baritonsaxophon. Im Zusammenspiel von Baritonsaxophon und Trompete, aus tiefem und hohem Blech, entstehen traumhafte Momente. Zwei Klangmagier sind miteinander im Dialog. Auch die Posaune gibt sich ein. Zwischen Posaune und Perkussion entsteht ein intensiver Dialog.
Toshinori Kondo steht mit seinem poetischen Trompetenspiel im Mittelpunkt des Konzerts, aber es sind die Musiker*innen des Vagrancy Ensemble die ihm einen großartigen Rahmen bieten, in dem er sich bewegen kann. Sie schaffen mit ihren Improvisationen immer wieder Momente in denen die Musik den Zuhörer*innen unter die Haut geht. Improvisation als Poesie – blow the earth.
Die In Situ Art Society hat am 24.5.17 drei weitere japanische Musiker eingeladen.
Japanese New Music Festival mit
Tatsua Yoshida – Schlagzeug
Makoto Kawabata – Gitarre
Atsushi Tsuyama – Bass
Die drei Musiker spielen Musik im Grenzbereich von Freejazz und Psychedelic Underground Rock, ihr Reverenzmusiker ist Frank Zappa.Sie werden den Abend in unterschiedlichen Formationen, unterschiedliche Musik im Trio, in Duos und Solo spielen. Drei Musiker bestreiten ein Festival.
www.in-situ-art-socity.de