Tosender Jubel für einen unverbesserlichen Romantiker
Avishai Cohen in Essen
TEXT: Sven Thielmann | FOTO: Sven Thielmann
Der israelische Jazz-Bassist Avishai Cohen begeisterte mit den fabelhaften Essener Philharmonikern 1200 Fans.
Das Leben ist kein Wunschkonzert. Man ahnte es ja schon angesichts der vergeigten Weltpremiere des „Avashai Cohen String Project“ 2012 in der schon damals wohlgefüllten Philharmonie. Wo der zweifellos grandiose israelische Bassist sich nun gemeinsam mit den Essener Philharmonikern und seinen bewährten Trio-Partnern im ganz großen Format präsentierte.
Klassisch im besten Sinne präsentierte das geschmeidig-präzise agierende Orchester unter dem schwedischen Dirigenten Alexander Hanson zunächst Avishai Cohens „Ouvertüre ,Noam‘, op. 1“ in romantisch beseelter Opulenz. Flächig schwelgerisch mit Anklängen an Smetana, garniert von etwas Bernstein, ja sogar einer als „Kaiserbass“ bekannten Kontrabass-Tuba. Solides Komponistenhandwerk ohne Ecken und Ösen, wie alle Stücke des Abends gefällig arrangiert von Robert Sadin, zu dessen Meriten immerhin die einstige Leitung des „Lincoln Center Jazz Orchestra“zählt.
Womit die Grundstimmung gelegt war, in die für den restlichen Abend Omri Mor perlende Pianoläufe streute, die der Perkussionist Itamar Doari auf einer Darbouka mit Innenbeleuchtung, dumpf tönender Udu und feinsortierten Cymbals im Orchester-Wohlklang akzentuierte. Mittendrin Avisahi Cohen mit satt pulsendem Bass und einer wahrhaft mitreißenden Stimme, die immer wieder für Begeisterungsstürme sorgte.
Ein zweifelhaftes Vergnügen, denn mit einiger Eloquenz streifte der 48-jährige Jazzstar nicht allein die Grenzen zwischen Klassik und Pop – durchaus akzeptabel –, sondern auch jene zum Kitsch. „Puncha Puncha“ wäre etwa bestens geeignet für den ESC – „Israel: Twelve Points!“ Allzu süßlich auch der Thad Jones-Klassiker „A Child is born“, der natürlich ebenso bejubelt wurde wie das hübsch orientalische „Arab Medley“ samt virtuoser Trommel-Show oder der traditionelle Song „Morenika“, der das Publikum aus den Sitzen hob.
Keine Frage, Avishai Cohen beherrscht die Kunst hinreißenden Entertainments perfekt – samt aller Taschenspielertricks, wie er mit einem Bass-Solo bewies, wo er so ziemlich alle Spieltechniken einsetzte, mit denen man einen Tieftöner nur traktieren kann. Der skeptische Kritiker fühlte sich da ziemlich einsam inmitten von 1200 enthusiatisch tobenden Zuhörern, die sich doch glatt vier Zugaben erjubelten.
Vom heimlichen Hit „Seven Seas“ über ein anrührend zart gesungenes „Nature Boy“ – der Mann ist halt ein unverbesserlicher Romantiker. So wie sein Publikum, das schließlich bei der finalen Trio-Nummer „Remembering“ zumindest einen kleinen Eindruck bekam, warum Avishai Cohen ein wirklich bedeutender Jazz-Musiker ist.