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Toller Spielort, tolles Festival

Brussels Jazz Festival Flagey

Brüssel, 20.01.2023
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Christina Verdara, Olivier Lestoquoit, Studio 28, Gert Lucas

Zwei Jahre konnte es wegen der Corona-Pandemie nicht stattfinden. Das hat Maarten Van Rousselt und sein Team vom Spielort Flagey ziemlich genervt. Und so war man für die Ausgabe in diesem Jahr vorsichtig und hat kein zehntägiges Event wie normalerweise geplant, sondern das Festival auf vier allerdings vollgepackte Tage komprimiert. Für einen auswärtigen Gast vielleicht kein Nachteil, lässt sich doch so das komplette Programm an einem verlängerten Wochenende erleben.

Und ein Erlebnis ist das Brussels Jazz Festival Flagey zweifellos. Das fängt schon beim Spielort an. Das in den 1930ern im Art Déco-Stil erbaute Flagey-Gebäude, das früher das Nationale Institut für Rundfunk (NIR) beherbergte und bis 2002 renoviert wurde, ist ein wunderbarer Ort für Livemusik, mit seiner großartigen Akustik und den bequemen Sitzen. Da lässt sich eine Band wie das Trio von Henri Texier entspannt genießen. Der 1945 geborene französische Kontrabassist verwöhnt zusammen mit Sohnemann und Saxofonist Sébastien Texier und dem Schlagzeuger Gautier Garrigue mit Jazzstandards und eigenen Kompositionen als echter Geschichtenerzähler. Da klingt alles fantasievoll und luftig und immer auch ein wenig nach imaginärer Folklore, obwohl fest im Jazzidiom verortet.

Ein junges Publikum sprechen Bands wie die der britischen Trompeterin und Sängerin Emma-Jean Thackray und des ebenfalls aus Großbritannien stammenden Kamaal Williams an. Thackrays energetische Musik groovt, ist funky und tanzbar und eigentlich eher was für ein Stehpublikum. Dabei hält sie ihre Songs schlicht. Und vielleicht wirken sie auf Dauer deshalb ein wenig zu einfach und catchy? Definitiv ist die Künstlerin aus Leeds keine große Sängerin. Aber sie singt in Brüssel mehr als sie Trompete spielt. Auch deshalb keine volle Punktzahl. Die erreicht auch Tastenmann Henry Wu alias Kamaal Williams nicht ganz, hat sein ansonsten überzeugender Auftritt doch ein paar Längen. Und braucht eine Weile, bis er in die Gänge kommt. Aber wenn auf Touren, dann ist die Mischung grandios. Dann treffen 70er Jahre Jazzfunk mit auch mal ungewöhnlichen Keyboardsounds auf gnadenlose Rhythmen. Für die zeichnet der Wahnsinns-Schlagzeuger Samuel Laviso aus Guadeloupe verantwortlich. Der hat ein paar Jahre bei Kenny Garrett getrommelt. Und kann Breakbeats, kann pushen, aber auch kolorieren. Ein Trompeter komplettiert das Trio, das sich gegenseitig befeuert, ohne große Setlist arbeitet, dafür eher schaut, was sich spontan entwickelt. Musik mit hypnotischen Grooves und süffigen Melodien, mit Dancefloor-Feeling und Jazz-Hipness. Ziemlich cool.

Klangwelten zwischen Orient und Okzident

Zu einem absoluten Festival-Höhepunkt wird ein Auftritt zur Mittagszeit. Das Trio der klassisch geschulten, griechischen Pianistin Tania Giannouli, ungewöhnlich besetzt mit zwei Landsleuten an Oud und Trompete, entführt in poetische, spielerische Klangwelten zwischen Okzident und Orient, die aber auch mal aufbrechen und kurzzeitig bissig klingen können. Präpariertes Piano, ideenreiche Improvisationen, gefühlvolle Melodien und eine bildhafte Klangsprache ziehen den Zuhörer in einen Kosmos einer zeitgenössischen, jazzigen Kammermusik, von der man in Belgiens Hauptstadt gar nicht genug hören kann.

Einer jungen Künstlerin eine Festival-Residenz zu geben mit gleich drei Auftritten, dafür darf man den Programmmachern danken. Denn Posaunistin Nabou Claerhout aus Antwerpen entpuppt sich als Künstlerin, die im Trio mit Gitarrist und Schlagzeuger aus Holland musikalisch Spannendes zu erzählen hat, beim zweiten Konzert mit ihrem Trombone Ensemble, mit dreiköpfiger Rhythmusgruppe und gleich sechs Posaunisten besetzt, darunter US-Posaunen-Koryphäe Robin Eubanks, ihr Instrument mit interessanten Arrangements wunderbar in den Fokus zu rücken versteht, am Abschlusstag im Duo mit ihrer Landsfrau Lynn Cassiers an Stimme und Elektronik im bislang beim Festival noch nie genutzten kleinen Studio 10 allerdings keine so packenden Momente kreiert.

Der stürmische Wind pfeift durch die Fenster ...

Zum ersten Mal findet auch ein kleines, 30-minütiges Konzert im kleinen Turm, ganz oben im Flagey-Gebäude statt. Da müssen erst einmal etliche Stufen hochgelaufen werden. Aber dann wird man mit einem tollen Blick belohnt. Die junge Belgierin Anneleen Boehme spielt solo und sehr fantasievoll auf ihrem Kontrabass, setzt dabei dezent Loops ein. Der stürmische Wind draußen pfeift durch die Fenster. Was für ein Erlebnis!

Und dann ist da noch Angus Fairbairn, der auf der Bühne zur Kunstfigur Alabaster DePlume wird. Sein musikalisches Schaffen in wenige Worte zu fassen – schwierig. Man muss diesen Verrückten erleben, sein bisweilen versponnenes Gequatsche, das aber immer voller Seele und Ermutigung steckt. Dieser Jazzpunk aus Manchester ist sowohl politisch als auch sozial. Und spielt auf der anderen Seite ein vibratoreiches, intensives Tenorsaxofon, das in mehreren Stilen wildert. Zwei junge Damen an E-Bass und Schlagzeug hat er in Brüssel dabei, die auch als Chorstimmen fungieren müssen. Spirituell, verschmitzt, sympathisch, surreal, aber auch (selbst-)ironisch, mit folkhippiger Liedermacher-Attitüde und dann wieder knackig funky und jazzig – all das bietet der schrill gekleidete Anfangvierziger auf der Bühne des Flagey und zieht mit dieser wilden Mischung sein Publikum in den Bann.

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