Bild für Beitrag: The Strangers  | Eine New Orleans Jazzoper in Köln
Bild für Beitrag: The Strangers  | Eine New Orleans Jazzoper in Köln

The Strangers

Eine New Orleans Jazzoper in Köln

Köln, 10.11.2023
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Sandra Then

New Orleans im Jahr 1890: Ein junges Paar kämpft um die eigene Identität und Zukunft inmitten von Bandenkriegen und Polizeiskandalen. Die Stadt am Missisippi gilt zu dieser Zeit auch als Geburtsstätte des Jazz. Franc Pescis Oper „The Strangers“ vermittelt dieses Flair hautnah. Die Uraufführung in der Oper Köln hinterließ einen mächtigen Eindruck.

Die Kölner Oper hat ein modernes Musiktheaterstück als Auftragsarbeit an den amerikanischen Komponisten Frank Pesci, der in Köln lebt, vergeben. Die Oper mit dem Titel “The Strangers“ handelt von einem historischen Ereignis, dem so genannten New Orleans Lynching im Jahre 1891. In dieser Zeit gab es eine großeEinwanderungswelle von Menschen aus Sizilien. Nach der Aufhebung der Sklaverei wurden dringend Arbeitskräfte gesucht. Den italienischen Einwanderer schlug von der Bevölkerung, vor allem von den irischstämmigen Einwohnern, die einige Jahrzehnte früher eingewandert waren, heftiger Fremdenhass entgegen. Als im Oktober 1891 der Polizeichef Hennessy auf offener Straße ermordet wurde, richtete sich der Verdacht auf die sizilianischen Einwanderer. Populistische Politiker schürten den Hass auf die Italiener. Es kam zu Razzien und Verhaftungen von Sizilianern, die in einem Prozess aber freigesprochen wurden.

Der Mob wurde von populistischen Hetzern befeuert

Von populistischen Hetzern befeuert bildete sich ein Mob aus den “guten Bürgern“ von New Orleans, Rechtsanwälte, Ärzte usw., der das Gefängnis stürmte und elf Sizilianerlynchte. Dies ist die äußere Handlung der Oper, es gibt noch eine Binnenhandlung. Eine Liebesgeschichte zwischen Iania Costa und Emmanuele “Mani“ Polizzi, die in ihrer neuen Heimat ihre Liebe und ihre Zukunftsträume verwirklichen wollen. Mani Polizzi wird eines der Lynchopfer. Eine narrative Oper, die in zeitlicher Reihenfolge die Geschichte erzählt. Ein Stück Musiktheater über Fremdenfeindlichkeit, Ausgrenzung und Populismus in New Orleans im ausgehenden 19. Jahrhundert, das heute wieder von erschreckender Aktualität ist. Andrew Altenbach hat das Libretto verfasst. Er ist Dirigent und Pianist, seit 2011 außerordentlicher Professor für Oper am Boston Conservatory at Berklee.

Die Aufführung fand im Kölner Staatenhaus statt, dem Interimsort der Oper Köln. Die kanadische Regisseurin Maria Lamont hatte die besonderen Möglichkeiten dieses Ortes bestens genutzt und die Bühne so angeordnet, dass ein kleines Orchester unter Leitung von Harry Ogg, mit Solisten des Gürzenichs Orchesters besetzt, plus drei Gastmusikern an Schlagzeug, Gitarre und Klavier, in der Mitte der Bühne saß. Um das Orchester im Kreis herum gab es bewegliche Bühnenteile, auf denen die Handlung stattfand. Das Publikum saß im Kreis außen herum, alles war ebenerdig. Durch diese Anordnung hatte das Publikum Teile der Handlung unmittelbar vor sich, andere Teile etwas entfernt, manchmal durch das Orchester etwas verdeckt. Die beweglichen Bühnenteile wurden je nach Bedarf während der Aufführung verschoben. Eine Laterne, eine Wäscheleine, ein Stuhl, ein paar Koffer, ein Tischchen mit Heiligenfigur reichten als Requisiten für das Bühnenbild.

Spirituals und Volksmusik

Die Musik von Frank Pesci, die großartig von Harry Ogg und seinen Musiker*innen dargeboten wurde, war nicht auf dramatische Steigerungen und Knalleffekte angelegt, sondern trieb die, besonders im ersten Teil, schnelle Handlung voran. Sie war im Wesentlichen tonal und melodiös, mit moderaten atonalen und dissonanten Passagen. Harry Ogg ließ die Jazz beeinflussten Stellen leicht und flüssig spielen und  die Passagen mit Neuer Musik sehr fein ausarbeiten. Pesci, der aus der Kirchenmusik kommt, setzte auffallend oft Chorgesang in kleinen Gruppen ein, während ein großer Chor fehlte. Kirchenmusik wird auch in seine Musik eingewoben. So ist “Deep River“ in die Overtüre eingeflossen und Spirituals wie “We are climbing Jacob`s ladder“ oder “Shall we gather the river“ wurden auch verarbeitet. Ebenso greift er auf italienische Volksmusik zurück.
 

Frank Pesci bringt Jazz und klassische Musik zusammen

Der Jazz spielt eine wichtige Rolle in Pescis Musik. In der Zeit, in der die Handlung spielte, entwickelte sich in New Orleans eine Musik, aus der dann der Jazz entstand. Auch daran waren neben den schwarzen und jüdischen Musikern auch italienische Einwanderer beteiligt. Der Kornettspieler und Komponist Nick La Rocca, Sohn sizilianischer Einwanderer, hat mit seiner Dixiland Jass Band, die erste Jazzschallplatte aufgenommen, einige Jahr vor King Oliver und seiner Band. Louis Armstrong erwähnt in seiner Biographie, dass ihn die Musik von Nick La Rocca inspiriert habe.

Frank Pesci erläutert seinen musikalischen Ansatz im Programmheft so: „Zu Hause bei meinen Eltern gab es beides, mein Vater spielte Big Band Jazz und gleichzeitig Puccini. So wurde alles sozusagen zu einem großen Ganzen. Während meiner ganzen Karriere als Komponist habe ich daran gearbeitet, wie ich beides zusammenbringe. (…) Die Oper “The Strangers“ war dafür perfekt. Die Geschichte spielt zehn Jahre vor der Geburt des Jazz in New Orleans. Jazz entstand aus einer Mischung von Traditionen afrikanischer und afroamerikanischer Musik, europäischer Kirchenmusik, Militär-Blaskapellen, Volksmusik der neu eingewanderten irischen und italienischen Bevölkerungsgruppen. Dazu kommt noch frühe Blues-Traditionen aus Nord-Mississippi, französisch-kreolische Traditionen aus der Gründungszeit von New Orleans.(…) Dann gründete der Trompeter Buddy Bolden im Jahr 1900 eine Band. Sie fügten Elemente des Ganzen zusammen, legten improvisierte Soli darüber und los ging`s.“
 

Großartige SängerInnen

In den ersten Teilen der Oper wird die Handlung schnell und flüssig vorangetrieben. Gegen Ende des Stücks gab es einige Stellen, an denen die Handlung dichter werden könnte. Die SängerInnen, sind alle stark besetzt und es lassen sich kaum Einzelne hervorheben. Ob nun Emily Hindrichs mit ihrem wunderbaren Sopran, als Iania Costa, John Heuzenroeder als Emmanuele Polizzi oder Miljenko Turk als Polizeichef Hennessy, die Leistung aller SängerInnen war auf hohem Niveau. Besonders eindrücklich war die Gruppe der sizilianischen Frauen, denen Pesci sehr schöne Chöre gab, oft mit Emily Hendrichs zusammen, ebenso tief wirkten auch die Duette der beiden Liebenden. Am Ende der Oper vereinigen sich alle Mitwirkenden zu einem Chor und singen die Inschrift der Freiheitsstatue in New York:
„Gebt mir eure Müden, eure Armen, eure geknechteten Massen, die frei zu atmen begehren, die bemitleidenswerten Abgelehnten eurer gedrängten Küsten; schickt mir die Heimatlosen,vom Sturm Getriebenen, hoch halt` ich mein Licht am gold`nen Tore!“  

 “The Strangers“ ist ein historisches Stück mit großem aktuellem Zeitbezug. Die Inszenierung, Bühnenbild und Ausstattung waren gut und stimmig. Die Musik von Frank Pesci gibt den kulturellen Schmelztiegel von New Orleans hervorragend wieder. Unterschiedliche Musikkulturen werden zu einem Ganzen verdichtet. Jazz und klassische Musik gingen eine Symbiose ein, die ganz organisch und niemals bemüht klang. Harry Ogg und das Gürzenich Orchester Köln haben diese Musik meisterhaft dargeboten und die Mitglieder des Ensembles der Kölner Oper bewiesen ihre gesanglichen Qualitäten. Vielleicht gäbe es im letzten Teil noch die Möglichkeit den Stoff etwas zu raffen. Aber dies kann nicht den positiven Gesamteindruck schmälern.

Suche