The Great Divide –Streben & Sterben
Niescier, Gramss, Renken, Thome
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Uwe Bräutigam
Musiker setzen sich schon seit Jahrhunderten mit dem Tod und seiner Unerklärlichkeit auseinander. Was kann der Mensch dem Tod entgegensetzen? Nun haben Angelika Niescier und Sebastian Gramss diesem Thema nachgespürt und Musik bearbeitet und arrangiert, die sich mit dieser Frage beschäftigt. Zusammen mit dem Trompeter John-Dennis Renken und dem Schlagzeuger Christian Thome haben sie das Projekt “The Great Divide – Streben und Sterben“ entwickelt. Die Düsseldorfer Jazz Schmiede veranstaltet das Programm im Herzen der Altstadt, im Palais Wittgenstein.
Niescier und Gramss sind bis zu Händel und Bach ins 18. Jh. zurückgegangen. Alle Stücke stammen von Komponisten aus dem Bereich der klassischen Musik, mit Ausnahme von “Just A Closer Walk With Thee“, ein Gospel aus New Orleans.
Der Bogen spannt sich von Schuberts „Der Tod und das Mädchen“, über Verdis Requiem, Franz Liszts „Vom Tode“ bis zu Dvoràks „Requiem Aeternam“ und Alban Bergs Violinkonzert 1935, in dessen 2. Satz der Bach Choral „Es ist genug“ zitiert wird.
Wer nun auf den Gedanken kommt, hier handelt es sich um eine Art “Third Stream Music“ im Sinne von Gunther Schuller, der irrt sich gründlich.
Die Klassikstücke werden so in das Idiom des Jazz übertragen, dass ein Hörer, der mit klassischer Musik nicht vertraut ist, nicht unbedingt wahrnimmt wo die Musik herkommt. Der geschulte Hörer nimmt allerdings das ein oder andere Thema aus dem Original wahr, obwohl es teilweise verfremdet ist.
Alle vier Musiker sind damit vertraut unterschiedliche Musikstile in den Jazz zu integrieren. Christian Thome, der u.a. mit Markus Stockhausen in der Band Quadrivium spielt hat eine enorme Erfahrung in Improvisation und ein hohes Einfühlungsvermögen in seine Mitmusiker.
John-Dennis Renken, der in Essen lebt, macht mit seinem Trio Zodiak eine Musik, in der sich von No Wave über Rock bis zu Jazz unterschiedliche Genre treffen. Für ihn ist Jazz eine Musik, die davon lebt, dass sie unterschiedliche Stile miteinander verbindet.
Der Bassist Sebastian Gramss hat ebenfalls eine große Erfahrung mit unterschiedlichsten Musiktraditionen. So hat er z.B. letztes Jahr das indisch-deutsche Projekt “Roots and Shoots“
auf den Weg gebracht. Dort spielte er mit dem Posaunisten Matthias Muche und einem indischen Sitar -und einem Tablaspieler eine Musik bei der sich Jazz und klassische indische Musik begegneten.
Und nicht zuletzt ist Angelika Niescier zu nennen, die “The Great Divide“ maßgeblich mitinitiiert hat. Eine der ganz wichtigen Saxophonstimmen in Deutschland und Europa, die in unterschiedlichen Formationen mit vielen großen Musikern zusammenspielte.
Wir erleben mit “The Great Divide“ also keinen Klassik-meets-Jazz-Abend, sondern Jazz, der sich mit den letzten Fragen des Menschen beschäftigt.
Mit einem gezielten Einsatz von Elektronik von Trompeter John-Dennis Renken, der in einigen Stücken, so bei dem Eröffnungsstück von Schubert, mit Loops arbeitet und so einen noch dichteren Sound erschafft. Auch Christian Thome setzt in einigen Stücken Elektronik ein um den Klang zu erweitern.
Die Stücke werden ohne Pause in einem Set gespielt, um die Stimmung und den Flow nicht zu unterbrechen. Die Musik ist nicht unbedingt getragen oder ruhig, sondern ist durchaus temperamentvoll, mit kraftvollen Saxophonläufen voller kreativer Spielideen, wie wir sie von Angelika gewohnt sind. Immer wieder entstehen sehr schöne Duos von Trompete und Saxophon. Gramss entwickelt spannende Bassfiguren und setzt in Alban Bergs Violinkonzert auch zwei Bögen gleichzeitig an seinem Kontrabass ein. Über Christian Thomes Einfallsreichtum und rhythmischem Gespür zu schreiben, heißt Eulen nach Athen tragen.
Eigentlich gilt das für alle Musiker, die in Düsseldorf im Palais Wittgenstein auf der Bühne stehen. Sie sind in der Kölner bzw. der Ruhrgebiets Jazzszene feste Größen, die sich national und international bereits einen Namen gemacht haben.
Mit diesem Programm ist es ihnen gelungen, eine dichte intensive Stimmung aufzubauen. Ob diese Musik allein, ohne den Rückbezug auf die Ursprungswerke, eine Auseinandersetzung mit dem Tod und der Endlichkeit herausfordert ist eine offene Frage. Ganz sicher aber ist es Musik, die das tut was gute Musik leisten kann, dem Publikum Anregungen und Impulse geben – in welche Richtung auch immer.
Es lohnt sich “The Great Divide“ live zu erleben:
12.02 Dortmund, Domicil - The Great Divide
25.02 Duisburg, Theater " Die Säule" - The Great Divide
10.4. Energetikon, Alsdorf
2.-4.9. Platzhirsch Festival, Köln