The Chicago Plan
Wild und einfühlsam
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Uwe Bräutigam
Für Gebhard Ullmann ist das Konzert in Bonn ein Homecoming. Er lebt jetzt in Berlin und wurde dort 2017 als erster Jazzpreisträger ausgezeichnet. Groß geworden ist er aber in der früheren Bundeshauptstadt Bonn. Nun spielt der Saxophonist und Klarinettist zusammen mit seinem Freund, dem Posaunisten Steve Swell aus New York, mit dem Schlagzeuger Michael Zerang, der seit 1997 Mitglied in Brötzmanns Chicago Tentet ist und dem Cellisten Fred Lonberg-Holm, der auch zum Chicago Tentet gehört. Alle Musiker des The Chicago Plan sind wichtige Wegbereiter des Creative Jazz und spielen in vielen unterschiedlichen Bands und Projekten.
Der Dialograum Kreuzung an St. Helena in Bonn, ein ehemaliger Kirchenraum, ist gut mit Publikum gefüllt. Einige Besucher sind zum ersten Mal hier und wundern sich über die “abgefahrene Musik“ – ein volkstümlicher Ausdruck für kreativen Jazz.
Zu Konzertbeginn kommt Steve Swell auf die Bühne und klappert mit seinem Stopfer in der Posaune. Gebhard Ullmann beginnt mit einigen kurzen abgerissene Phrasen auf der Bassklarinette und entwickelt daraus ein Solo aus dem dann ein Duo mit der Posaune entsteht. Fred Lonberg-Holm schlägt mit dem Bogen auf die Cellosaiten und spielt dann ein sehr einfühlsames Cello Solo. Michael Zerang begleitet dies mit eigenwilligen Rhythmen auf dem Schlagzeug. Gebhard Ullmann hat zum Tenorsaxophon gewechselt und kommt sehr subtil in das Cellosolo hinein. Steve Swell bläst nun rhythmisch perkussiv in seine Posaune. Sein Spiel wird intensiver und steigert sich zu einem wild aufschäumenden Solo. Das nun elektronisch verzerrte Cello übernimmt das Solo und Fred Lonberg-Holm steigert sich in ein wildes Spiel, das an Jimi Hendrix erinnert. Das Schlagzeug kommt hinzu und Ullmann steigt mit dem Saxophon ein, so entsteht ein höllisches Trio. Das Publikum wird in dieses Helter Skelter förmlich eingesogen. Nach einiger Zeit spielt Gebhard Ullmann dann ein Solo. Er lässt sein Horn wimmern, schreien, sprechen, klagen, jubeln und quieken, um dann eine kleine Melodie zu spielen. Es gehört ein Saxophonist vom Format eines Gebhard Ullmann dazu aus diesem wilden freien Solo nahtlos und völlig passend in einen melodischen Part überzugehen. Großartig wie The Chicago Plan von strukturierten Teilen in völlig freie Passagen übergehen, wie die einzelnen Musiker aus wilden Improvisationen in einfühlsam lyrische Passagen übergehen und diese wieder aufbrechen.
Besonders das zweite Set hat größere balladeske Anteile. Schon der Einstieg ist sehr subtil mit Luftgeräuschen aus der Posaune und klappernden Ventilklappen an der Bassklarinette. Ein langes elegisches Cellosolo, in das sehr sensibel Posaune und Bassklarinette einsteigen.
Es bleibt nicht so ruhig, sondern steigert sich noch einmal zu einer heftigen Ensemble Improvisation. Zum Ende spielen Steve Swell und Gebhard Ullmann dann wieder etwas balladenhaftes, ein altes Stück von Albert Mangelsdorff.
Diese Bandbreite von Höllensound bis hin zu melodischen Balladenanteilen und alles immer in einem stimmigen Zusammenhang, zeigt welche herausragenden Musiker hier zu Werke sind.
Dank sei der In Situ Art Society unter Leitung von Pavel Borodin und Georges Timpanidis (Georges Paul), die solche großartigen Musiker aus dem Bereich des kreativen Jazz und der Improvisationsmusik nach Bonn einladen.
Das nächste Konzert ist bereits am 20. Februar um 20 Uhr, hier spielt Steve Swell mit dem Frode Gjerstad Trio aus Norwegen, ebenfalls erstklassige Avantgarde Jazzer.
www.in-situ-art-society.de