Bild für Beitrag: Tatort Jazz im Bahnhof Langendreer | Anwar Manuel Alam: ‚Welt der Violine’
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Tatort Jazz im Bahnhof Langendreer

Anwar Manuel Alam: ‚Welt der Violine’

Bochum, 05.03.2023
TEXT: Heinz Schlinkert | FOTO: Heinz Schlinkert

Mit Manha de Carnaval präsentierte die Tatort Jazz - Konzertreihe am 1. März im Bochumer Bahnhof Langendreer den virtuosen Jazzgeiger Anwar Manuel Alam. Karneval ist erst eine Woche vorbei, doch das schien hier kaum jemand aufzufallen. Den berühmten Bossa des Brasilianers Louis Bonfá kann man schließlich das ganze Jahr hören.

Milli Häuser hat diesmal Anwar Manuel Alam aus Dortmund eingeladen. Entsprechend dem Motto bringt er sehr unterschiedliche Stücke mit. Näher und noch ambitionierter ist die von modalem Jazz geprägte Saga of Harrison Crabfeathers von Steve Kuhn, dem nordamerikanischen Pianisten. Die Tatort Jazz Hausband (Matthias Dymke, p, Alex Morsey, b, Uwe Kellerhoff, dr) macht alles mit und wechselt ebenso mühelos zwischen den Stilen wie der Gast-Violinist.

  • Jazz und Violine

Violinen sind im Jazz nicht oft anzutreffen und werden meist eher mit klassischer Musik verbunden. In der Country- und Cajun-Musik, aber auch im Gypsy Swing, spielen sie eine wichtige Rolle, man denke nur an Grappelli. Jerry Goodman machte mit diesem Instrument in der Rockmusik von 'The Flock' (Tired of Waiting 196) von sich reden. Mit Jean-Luc Ponty wurde die Violine in den 70ern auch im Jazz salonfähig. Nigel Kennedy ist inzwischen eine Institution, nicht zu vergessen Regina Carter.
Streichinstrumente findet man im Jazz in letzter Zeit öfter, vor allem das Cello. Der Kontrabass, der ja auch heute von Alex ausgiebig mit dem Bogen gestrichen wird, ist natürlich nach wie vor unverzichtbar.

  • Standards und Planetenmusik

Vor allem die Standards finden beim Publikum großen Anklang. Schon als ein Stück von Piazzolla angekündigt wird, reagiert es erfreut mit „Aaahh“. Und so wird der Tango auch sehr nostalgisch vorgetragen, melodiebetont ohne größere Soloanteile. Take Five ist einer der Höhepunkte des Konzerts. Der Titel bedeutet: pro Takt 5 Viertel spielen, das spielen so ohne weiteres nur routinierte Musiker. Alle verbinden mit dem Stück Dave Brubeck, doch komponiert wurde es vom Saxofonisten Paul Desmond. Nach einem 'Zupf-Intro' des Bassisten spielt die Band recht schnell und energiegeladen. Die Reihe von Soli gipfelt in dem überzeugenden Drumsolo von Uwe Kellerhoff, der dazu sicher das berühmte Solo von Joe Morello im Kopf hat.

Beim Minor Swing von Django Reinhardt übernimmt Anwar Manuel Alam ganz souverän mit einem transkribiertem Violinensolo die Rolle von Stephane Grappelli. Alex steuert Vokalisen bei bis dass Anwar mit einem schönen improvisierten Solo das Stück abschließt. Nicht alle Stücke gefallen mir, denn jeder hört anders. So erinnert mich der Anfang der längeren offenen Improvisation an eine Suche nach einer rhythmischen Strukturmit eher experimentellem Charakter. Erst bei einem massiven melodischen Input des Pianisten Matthias Dymke, zeigt sich – vorübergehend ohne den Violinisten - wie gut in der Hausband die Musiker aufeinander eingespielt sind. Denn nun werden im Sinne des ‚Comping‘ melodische Ideen entwickelt, aufgenommen und weitergeführt. Im fließenden Übergang schält sich nun aus der Improvistion das Thema von Blue in Green heraus, das Anwar mit einem improvisierten Solo krönt und zum Abschluss bringt.
'Planetenmusik'
hat Anwar bei einer Reise nach Indien komponiert, er gibt eine Art ‚Vorwarnung‘. Man könnte sich ein Raumschiff vorstellen, das durchs All schwebt. Es ist schon mutig, solch eine hochvirtuose, aber auch anspruchsvolle Komposition an dieser Stelle einzubringen.
Dann Night in Tunisia von Dizzy Gillespie. Das eher karibische Flair des Stücks hat mit Tunesien eigentlich gar nichts zu tun und basiert eher auf afrokubanischer Musik. Alex Morsey spielt den berühmten BassLick als Intro sehr rhythmisch, die Band steigt ein und ist wieder voll in ihrem Element.

  • Godfather Bach’

Einen weiterer Höhepunkt bildet die Barockmusik von Bach, der manchmal als eine ‚Vorläufer‘ des Jazz angesehen wird. Anwar Manuel Alam entführt uns in die Welt der Klassik mit der Partita in d-moll für Violine. Warum der Einsatz eines Loopers an dieser Stelle sinnvoll ist, verstehe ich nicht; Klangflächen kann auch die Band schaffen. Doch dann spielt Anwar die Melodie und das Publikum hört fast andächtig zu, auch als Alex Morsey sich mit einem wundervollen Bass Solo anschließt. Das ist schon fast wie im Konzertsaal, so etwas bekommt man hier nur selten zu hören. Eine schnellere, jazzige Version als Hommage an Jacques Louissier mit vielen Improvisationen schließt diesen Beitrag ab, der mit sehr viel Beifall bedacht wird.

  • Publikum

Das Publikum hat sich in der letzten Zeit verändert. Viele neue Gesichter, viele jüngere Leute sind mittlerweile bei den Tatort-Konzerten anzutreffen, da könnte manch ein Veranstalter Milli drum beneiden. Man merkts auch daran, dass es weniger Beifall nach den Soli gibt. Das scheinen die neuen Zuhörern noch nicht zu kennen, doch das kann ja noch werden.
Die Zugabe fällt wegen technischer Probleme rein akustisch aus und es funktioniert trotzdem sehr gut, Uwe spielt etwas sanfter. Wäre das nicht auch eine Option für die Zukunft, sofern nicht gesungen wird? Ganz ‚unplugged‘ und ursprünglich hören wir Sheik of Arabia, bei dem die Band nochmal alles gibt mit einem gewaltigen Drum Solo von Uwe Kellerhoff. Ein schönes, sehr abwechslungsreiches Konzert mit einem breit aufgestellten Violinisten, der sich als ausgezeichneter Improvisator, aber auch als großer Melodiker auszeichnet.

Am 18.März spielt Anwar Manuel Alam in der Philharnmonie Essen im Sextett Eine kleine Weltmusik.

nächste Tatort-Konzerte:

  • Mi. 19.4.2023 | Bochum |Bahnhof Langendreer | Gast: Christian Hassenstein, git
  • Mi. 26.4.2023 | Bochum | Kunstmuseum | Gästin: Marie Daniels , voc
  • Mi. 24.5.2023 | Bochum | Bahnhof Langendreer | Gast: PADI Orchestra/ Martin Buschmann , steelpan
  • Mi. 06.9.2023 | Bochum | Bahnhof Langendreer | Gast: Martin Gasser, sax
  • Do. 07.12.2023 | Ratingen | Buchcafé | Milli Häuser Quartett
  • Mi. 13.12.2023 | Bochum | Bahnhof Langendreer | Gästin: Milli Häuser, voc
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