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Tanzbar und die Jugend im Blick

53. Internationale Jazzwoche Burghausen

Burghausen, 22.03.2024
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Frank Rasimowitz & Rainer Ortag

Der eine oder die andere taten es schon eine Weile. Aber die allermeisten brauchten erst die Aufforderung von Alex Wilson zum Tanzen, bevor sie sich von ihren Sitzen in der gut gefüllten Wackerhalle erhoben. Eigentlich seltsam, denn die Musik des Projektes „Routes“ des Schweizer Posaunisten Samuel Blaser lädt zu Bewegung geradezu ein. Schaut er mit seinem Instrumental-Sextett, das dann und wann von Gastsängerin Caroll Thompson ergänzt wurde, doch vom Jazz aus Richtung Reggae und Ska. Und zu diesen Rhythmen lässt sich bekanntlich gut tanzen. Keyboarder Alex Wilson hält die Band zusammen, ein feines Rhythmusduo mit Bassist Ira Coleman und Drummer Edwin Sanz sorgt für die typischen Beats, während sich Saxofonist Soweto Kinch und Bandleader Blaser so richtig schön austoben und ausformulieren können, wenn sie nicht gerade mal den Unterbau liefern für rockige Soli von Gitarrist Alan Weekes. Ein herrlich leichtes, beschwingtes Vergnügen, das zumindest am Konzertende den Saal zur Tanzfläche machte und selbst Gershwins „Summertime“ zauberhaft in die Karibik überführte.

Am Ende tanzt der ganze Saal

Auch bei Keziah Jones tanzt am Ende der ganze Saal. Und der Nigerianer selbst auch. Was zu Konzertbeginn alles noch nicht zu erahnen war. Denn da sitzt der Sänger und Gitarrist aus Lagos allein auf einem Hocker auf der Bühne um nur mit Stimme und Gitarre und seinem intensiven Gesang und perkussivem Gitarrenspiel das Publikum erst einmal in seinen Bann zu ziehen. Dann gesellt sich sein Trio hinzu. Es wird elektrifizierter, bluesiger, funkiger. Sein „Blufunk“ kommt auf Touren, der Puls der Musik hämmert, die Riffs sind scharf. Ekstatischer Afrofunk. Mit einer funkig schwingenden Version von Bob Marleys „War“ schickt er in der Zugabe sein tanzendes Publikum mit einer Message nach Hause, die zwar einst auf Afrika gemünzt war, aktuell aber traurige Aktualität in vielen Winkeln der Erde ist.

Warum Ana Carla Maza derzeit so gehypt wird, zeigt die Kubanerin in Burghausen. Denn die aparte Cellistin und Sängerin ist ein echtes Showgirl, eine Künstlerin voller Energie, ab und an sogar ein wenig überdreht, die auch ihr Cello beim Spielen gerne mal energisch zupft und herumwirbelt. Sonniges, karibisches Flair und Leichtigkeit verbreitet sie mit ihrem Trio in der großen Wackerhalle, ein paar Kuba-Klischees bedient sie allerdings auch. Am Ende tanzen wieder alle und sind zufrieden. Das passt zum Projekt Black Lives – From Generation To Generation eher nicht. Ein namhaftes Künstlerkollektiv mit DJ, Spoken Word-Artist, zwei Sängerinnen und Musikern wie Bassist Reggie Washington, den Schlagzeugern Marque Gilmore und Gene Lake, Tastenmann Grégory Privat oder den Gitarristen Adam Falcon und David Gilmore möchten mit diesem Projekt an den immer noch vorherrschenden Rassismus in der Gesellschaft und vor allem in der schwarzen Welt aufmerksam machen. Mit heißen Saxofonsoli, gedreschten Schlagzeug-Beats, HipHop-Samples und souligen, balladesken Gesängen und der einen oder anderen eindringlichen Message. Ein krasser Gegensatz zu Ana Carla Maza direkt davor, aber ein wichtiges Statement, auch seitens der Veranstalter der Internationalen Jazzwoche Burghausen.

Next in Jazz

Das Publikum in der alten Herzogsstadt in Oberbayern ist bislang durchweg ein älteres. Ein in diesem Jahr erstmals im Jugendzentrum der Stadt veranstalteter Abend mit zwei jungen, poppigen Bands sollte daher vermehrt auch junge Interessierte anlocken - was funktionierte. Und auch die „Jazz Night“, die jährlich in der Samstagnacht während des Festivals in der Altstadt in diversen Lokalen mit einem bunten Programm stattfindet, lockte ein buntgemischtes und auch jüngeres Publikum an. Mit dem Nachwuchs-Jazzpreis, den dieses Mal der solo auftretende italienische Pianist Simone Locarni gewann, präsentiert das Festival seit 14 Jahren ohnehin schon eine Plattform für junge Jazzer. Und auch der lange, das Festival abschließende Sonntagnachmittag im Stadtsaal unter dem Motto „Next In Jazz“ mit drei jungen Bands ist eine Veranstaltung zu der hoffentlich in Zukunft auch vermehrt junge Menschen kommen. Um sich von der schon unglaublich reif aufspielenden Saxofonistin Emma Rawicz aus London und ihrer Klasse-Band mit schönen Kompositionen und Melodien verwöhnen zu lassen. Oder sich an der Münchner Frauencombo SiEA (lediglich der Schlagzeuger des Septetts ist ein Mann) zu erfreuen, die neue musikalische Wege sucht, bei denen der Jazz neben Indie und Pop und optischem Glamour nur ein Teil des Ganzen ist.

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