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Sympathy for the Devil – Jazz from Hell

York Höllers Der Meister und Margarita in Köln

Köln, 08.04.2022
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Bernd Uhlig

Michail Bulgakows Jahrhundert Roman Der Meister und Margarita, der die Unterdrückung der Kultur in der Sowjetunion der 30er und 40er Jahre thematisiert, hat unter Putins autoritärer Herrschaft in Russland wieder eine beklemmende Aktualität bekommen. Der Roman hat im Laufe der Jahre immer wieder Musiker und Theaterregisseure inspiriert. So hat der in Köln lebende und in Moskau geborene Pianist Simon Nabatov 1999 eine zehnteilige Suite zu diesem Roman geschrieben, die im Kölner LOFT aufgenommen wurde. Das Werk war eine Auftragsarbeit des NDR. Der ebenfalls in Köln lebende und in Leverkusen geborene Komponist York Höller (1944) hat bereits zehn Jahre früher über Bulgakows Roman eine Oper geschrieben, zu der er auch das Libretto selbst schrieb.

York Höller hat bei Bernd Alois Zimmermann Komposition und zusätzlich Musikwissenschaft und Philosophie in Köln studiert. Weiterführende Studien machte er bei Pierre Boulez und Karl-Heinz Stockhausen im Bereich der elektronischen Musik.

Höller begann 1984 mit der Arbeit an seiner Oper Der Meister und Margarita und 1989 wurde sie in Paris uraufgeführt.

Nun wurde die Oper von Valentin Schwarz inszeniert und mit dem Gürzenich Orchester unter Leitung von André de Ridder in Köln aufgeführt. Diese Aufführung in Köln ist erst die vierte Inszenierung dieser aufwendig gestalteten Oper. Der blinde Komponist York Höller war während der Uraufführung im Kölner Staatenhaus, der Ausweichspielstätte der Kölner Oper, anwesend.

Die Inszenierung von Valentin Schwarz ist opulent und überbordend an Bildern und Kostümen. Vieles erschließt sich dem Publikum nur schwer und manches lenkt gar von der Fabel des Bulgakov Romans ab. Wenn sich im Haus der Schriftsteller Karrieristen und literarische Speichellecker der Macht treffen und diese mit riesigen Masken, wie in der alemannischen Fastnacht, als Josef Beuys, Andy Warhol, van Gogh und andere dargestellt werden, dann geht das Bild ins Leere. Die dargestellten Künstler waren keine Marionetten der Mächtigen, die Kollegen um ihrer Karriere willen verraten haben und die Masken lenken so nur von den eigentlichen Literaturapparatschiks ab. Schön bunt und nett anzusehen, aber für die Oper nicht weiterführend.

Die Musik von Höller wurde vom Gürzenich Orchester großartig gespielt und aus der insgesamt beeindruckenden Besetzung ragen die Gesangsleistungen von Adriana Bastidas-Gamboa (Margarita), Nikolay Borchev (Meister) und Bjarni Thor Kristinsson (Voland) heraus.

In der oben beschriebenen Szene im Literaturhaus taucht auch eine Jazzband auf, die dort spielt. Das erinnert natürlich an Bernd Alois Zimmermanns Oper Die Soldaten, die Höller nachhaltig beeindruckt hat.

Auch die bunte collagenhafte Mischung der Musik beim Großen Satansball lässt an Zimmermann denken. Der Satansball war das erste, was York Höller in seinem Werk komponierte, er war eine der zündenden Grundideen. Er benutzt dort Zitate aus Berlioz` Faustoper, elektronische Einspielungen, Barockmusik trifft auf Jazz und Sympathy for The Devil von den Rolling Stones wird hier passenderweise eingeflochten, einschließlich der hypnotischen Congas zu Beginn des Songs. Immerhin hat Mick Jagger diesen Song nach der Lektüre von Bulgakovs Roman geschrieben. Im Programmheft wird von einer Rockband geschrieben, die im Punklook auf der Bühne spielen solle und in dieser Szene ist eigentlich ein Ballett aus Verbrechern und Horrorgestalten vorgesehen. Hier hat Valentin Schwarz eine hervorragende Entscheidung getroffen und eine leere Bühne präsentiert in deren Hintergrund hunderte Lampen leuchten, die langsam immer heller werden. Zehn Minuten nur Musik, ganz ohne Kostümrausch, Reduktion auf das wesentliche, großartig.

York Höller, der Jazz, Rock, Klassik, Varietémusik und Barock einsetzt, zitiert nur sehr wenig, wie etwa Berlioz, fast alle scheinbaren Zitate hat er dagegen selbst komponiert. Auch das war eine Methode, die schon Bernd Alois Zimmermann benutzt hat. Ebenso wie Zimmermann integriert auch Höller nicht nur Stilzitate aus der klassischen Musik sondern auch Jazz und Rock in seine Oper.

Aber damit sind auch genug der Vergleiche zu seinem Lehrer gezogen. York Höller hat eine ganz eigenständige Kompositionssprache entwickelt, die er Klanggestalt nennt und deren Grundelement zwar eine Zwölftonreihe ist, die er aber aufbricht und in kleine Gruppen zerlegt. In einem Interview mit Georg Kehren im Programmheft sagt er dazu „Ja, die Klanggestalt besteht im Falle der Oper Der Meister und Margarita aus 31 Tönen – stellt also eine Figur dar, die zwar alle zwölf chromatischen Töne enthält, bei der die Töne jedoch in unregelmäßiger Weise wiederholt werden. Es entsteht eine kleine Form mit Rückbeziehungen und einer Entwicklung gewissen Höhepunkt und einer entsprechenden Rückentwicklung.“

Ein wichtiger Bestandteil von Höllers Musik zu Der Meister und Margarita ist Elektronik, live und von Band eingespielt. Die Bänder mit dieser elektronischen Musik hat Höller vor 30 Jahren produziert, zum größten Teil im IRCAM in Paris unter Leitung von Pierre Boulez, aber auch im WDR Studio für Elektronische Musikunter Leitung von Karl-Heinz Stockhausen. Es war Stockhausen der Höller schon 1972 in das Studio für Elektronische Musik einlud und ihm dort hilfreich zur Seite stand. Höller komponierte dort sein einziges rein elektronisches Stück Horizont, Komposition für 4-Kanal Tonband. Die Uraufführung fand 1972 im Rohbau des Römisch-Germanischen Museums statt. Dieses Werk wird als Einleitung zu seiner Oper in Köln eingespielt.

Obwohl Bezeichnungen wie “4-Kanal Tonband“, die völlig aus der Zeit gefallen sind, scheinbar auf Retro Elektronik hindeuten, klingt die Musik von York Höller erstaunlich frisch und zeitgemäß. Und es ist ein Glücksfall für Köln, dass die Oper dieses Werk neu inszeniert in ihrem Programm 2022 hat.

Man kann über den 3. Akt des Librettos diskutieren, der wenig gebündelt und zu lang ist, man kann auch manche Schrullen der Inszenierung kritisieren, aber die Musik von York Höller ist ebenso über alle Kritik erhaben, wie die Umsetzung vom Gürzenich Orchester und den Sänger*innen. York Höllers Der Meister und Margarita ist ein Fest der Gegenwartsmusik und lohnt auf jeden Fall einen Besuch in der Oper Köln.

Nächste Vorstellungen von York Höllers Der Meister und Margerita im Staatenhaus Saal 1:

Mi 6.4. um 19.30 Uhr; Fr 8.4. um 19.30 Uhr; So 10.4. um 18 Uhr; Di 12.4. um 19.30 Uhr und So 17.4. um 18 Uhr.

Eine ausgesprochen gut gemachte Kurzeinführung jeweils 45 Minuten vor der Aufführung im Saal 3.

Es gelten weiterhin 3 G Regel und Maskenpflicht!

Weitere Infos:

www.OPER.KOELN

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