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Sylvie Courvoisier, Cory Smythe, Israel Galván

La Consagración de la Primavera

Köln, 07.03.2022
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Jean Philippe - Uwe Bräutigam (Sylvie Courvoisier - Archiv)

Die Schweizer Musikerin Sylvie Courvoisier hat für den spanischen Choreographen Israel Galván Musik geschrieben, die sich auf Igor Strawinskys Le Sacre de Printemps bezieht. Sylvie Courvoisier ist eine international renommierte Pianistin und gefragte Komponistin, die in Brooklyn lebt. Sie spielt im Trio mit Kenny Wollesen und Drew Gress und regelmäßig mit Evan Parker und dem Geiger Mark Feldman. Letztes Jahr spielte sie auf dem Moers Festival ein beeindruckendes Konzert.

Le Sacre de Printemps für zwei Klaviere

Israel Galván ist ein andalusischer Flamencotänzer und Choreograph, der zum Avantgardeflamenco gerechnet wird und zu den wichtigsten Flamencotänzern der Gegenwart zählt. Schon seine Eltern tanzten beide Flamenco, auch seine Schwester Pastora ist eine berühmte Tänzerin, für die er einige phantasievolle Choreographien schrieb. Er hat schon die verschiedensten Preiseals Tänzer und als Choreograph in Spanien gewonnen. In Köln gastierte er schon einige Male, u.a. mit seinem Stück Fla.Co.Men, in dem er Flamenco dekonstruiert und mit experimentellem Free Jazz wieder zusammenfügt und sich dabei trotzdem auf die Tradition bezieht.

Viele Choreograph*innen haben sich schon mit Igor Strawinskys Le Sacre de Printemps auseinandergesetzt, z.B. Pina Bausch. Aber sie haben die Orchestermusik von Strawinsky als Grundlage für ihren Tanz benutzt. Sylvie Courvoisier hat die wenig gespielte Fassung für zwei Klaviere als Quelle gewählt. Igor Strawinsky hat 1913 diese Fassung wenige Tage vor der Uraufführung des Orchesterwerks zusammen mit seinem Freund Claude Debussy im kleinen Kreis gespielt.

Zwei Klaviere und ein Rhythmusinstrument

Während der Zusammenarbeit mit dem Choreographen Israel Galván bei der Show La Curva spielte Sylvie Courvoisier in einer Probenpause ein paar Takte aus Strawinskys Werk. Israel Galván war sofort elektrisiert von dieser Musik und so entstand der Plan ein Tanzstück zu dieser Musik zu erarbeiten.

Sylvie Courvoisier erarbeitete eine eigene Interpretation, die sich lose an Strawinskys sehr herausforderndes Werk anlehnt. Sie spielt dieses Werk zusammen mit dem amerikanischen Pianisten Cory Smythe, der ebenso wie sie sowohl mit Jazz, Klassik und Neuer Musik vertraut ist. Er hat mit Anthony Braxton, Steve Lehmann oder Hillary Hahn zusammengearbeitet und hat für die Einspielung von In 27 Pieces: The Hillary Hahn Encores einen Grammy erhalten.

Aber das völlig Neue an dem Werk La Consagración de la Primavera ist das Einbeziehen eines Rhythmusinstrumentes. Der Choreograph und Tänzer Israel Galván selbst ist dieses Rhythmusinstrument. „Ich liebe es, die Musik zu tanzen, die aus mir kommt und mich in ein Percussion-Instrument zu verwandeln … Es ist sehr befreiend nicht einzig und allein Tänzer zu sein,“sagt Galván. Er setzt seinen Körper, meist die Beine bzw. die Füße, aber auch die Handflächen und Fäuste als Rhythmusinstrument ein.

Auf der Bühne stehen die beiden Flügel an denen Sylvie Courvoisier und Cory Smythe sitzen und verschiedene kleine flache Podeste aus Holz, kleine Haufen aus Kies und Sand und das Innenleben eines Flügels mit seinen gespannten Saiten. Israel Galván wechselt zu den verschiedenen Orten auf der Bühne und schlägt dort mit den Füssen Flamenco Rhythmen, während er mit dem Körper Tanzfiguren ausführt. Aber Hanna Koller, die Kuratorin des Tanz Köln, warnt in ihrer Einführung das Publikum zu recht davor, traditionellen Flamenco zu erwarten.

Der Tänzer selbst ist das Rhythmusinstrument

Israel Galván greift traditionelle Flamenco Tanzfiguren auf, sowohl männliche als auch weibliche und bricht sie, teilweise mit Humor. Wenn er z.B. seine lange Jacke rafft, wie die Tänzerinnen ihre Kleider. Seine Tanzfiguren speisen sich aus vielen Quellen, so etwa auch aus dem indischen Bharatanatyam Tanz, wenn auch der Flamenco Tanz dominiert. Typisch für die Flamenco Figuren, ebenso wie für die Bewegungen aus dem indischen Tanz, sind ihre Bodenhaftung, im Gegensatz zum klassischen Ballett, das in die Lüfte strebt. Sylvie Courvoisier sagt dazu: „Betrachtet man die verschiedenen Choreografien, sieht man, dass die Tänzer die Musik nicht selbst spielen. Und da der Rhythmus sich auf jeder Zeile verändert, sind die Tänzer nicht geerdet – sie schweben, und die schwere, kraftvolle Musik ist immer stärker.“

Diesen Widerspruch hebt Israel Galván auf, in dem er Tänzer und Musiker, Tänzer und Percussionist in einer Person ist. Er geht mit den Pianist*innnen in ein Zwiegespräch. Er stampft mit den Füssen den Takt der orchestralen Komposition. Oder er klatscht mit den Händen den Rhythmus. Auch das ist typisch für den Flamenco, dort ist das Klatschen des Rhythmus ein eigenständige musikalische Aktivität. Strawinskys Musik ist die Folie, auf der sich die Interpretation von Sylvie Courvoisier und Israel Galván entfaltet. Der Tänzer übernimmt die Aufgabe der Rhythmusgruppe. Ein einzigartiges Tanzstück, für drei Instrumente, bei dem das dritte Instrument, Percussion, der Körper des Tänzers ist. Mit harten schnellen Schritten, wie ein Stepptänzer, mit Klatschen, Faustschlägen auf den Boden, mit schleifenden Bewegungen über Kies, der knirschende Geräusche macht, stehend, vom Stuhl aus und am Boden hockend oder liegend, setzt Israel Galván sein Körper als Rhythmusinstrument ein.

Ein rhythmisches Feuerwerk

Israel Galván entfacht ein rhythmisches Feuerwerk an verschiedenen Bühnenorten. dabei gibt es auch längere Pausen, in denen nur die beiden Klaviere erklingen. Galváns rasantes Rhythmusspiel steht in Korelation zum Klavierspiel von Sylvie Courvoisier, die Clusteranschläge, mit Fäusten oder Unterarm ebenso wie Schläge auf die Saiten des Flügels einsetzt. Sylvie Courvoisier und Cory Smythe müssen nicht nur sehr aufmerksam aufeinander hören, sondern stehen gleichzeitig mit dem Rhythmus von Isreal Galván im Dialog. Eine technische und musikalische Herausforderung, die die beiden Pianist*innen hervorragend gemeistert haben. Zusätzlich zur Strawinsky Bearbeitung werden noch zwei kürzere Kompositionen von Sylvie Courvoisier: Conspiracion (mit Cory Smythe) und Spectro gespielt.

La Consagración de la Primavera ist ein Werk, das in seiner speziellen Form, eine Singularität ist. Ein Werk, das das Publikum mitreißt und musikalisch auf allerhöchstem Niveau ist. Ein atemberaubendes Tanzgastspiel in der Kölner Oper.

Im Juni haben wir die Gelegenheit eine weitere Bearbeitung von Strawinskys Sacre in Köln zu erleben: Dada Masilo`s The Sacrifice. Die Aufführung wurde wegen der Pandemie verschoben. Dada Masilo stammt aus Südafrika, aus Soweto und hat angeregt durch Pina Bauschs Choreographie eine eigene Neuinterpretation von Igor Strawinskys Le Sacre de Printemps erarbeitet, die auch auf den Ruhrfestspielen zu sehen sein wird.

https://tanz.koeln

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