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SÜDTIROL ALTO ADIGE JAZZ FESTIVAL2023

Resumé einer Woche wie keine andere

Bozen, 11.07.2023
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper

Trancezustände und Rituale haben es dem Ethnologen Stefan Festini Cucco, der zum neuen Leitungsteam des Südtirol Jazzfestival Alto Adige gehört, schon länger als Forschungsgegenstand angetan. Damit traf er den Nerv des Saxophonisten Lukas Kranzelbinder, der vor allem in Marokko die Gnawa-Kultur studierte und das Spiel auf der Guembri, dieser dreisaitigen Laute mit ihrem charaktristischen Sound erlernt hat. Was also lag näher, als hieraus ein Projekt für die aktuelle Festivalausgabe zu formen? Die Grundidee: Einer Musik, die sich möglichst häufig über Konventionen hinwegsetzt, stehen neue Formate, die stärker auf aktive Interaktion mit dem Publikum setzen, eigentlich nicht schlecht. Die praktische Umsetzung dieser Idee ging auf der Studiobühne des „Batzenhäusl" wie folgt - und das über fünf Stunden lang: Lukas Kranzelbinder spielte verschiedene Bassinstrumente, unter anderem auch die Guembri in einer nie endenden repetitiven Schleife, was den roten Faden für die Improvisationen von mehreren Musikerinnen und Musiker bildete. Zum Beispiel für die exzentrische, französische Flötistin Delphine Joussein, der es verschärfte psychedelische Soundeffekte angetan haben, ebenso Johannes Schleiermacher auf dem Saxofon und den Schweizer Schlagzeuger Julian Sartorius. Hier lebt die hohe Kunst, Veränderungen wie in einem guten DJ Mix in Richtung dramaturgisch treffsicher zu dosieren, auf dass hypnotische Steigerung möglich wird. Eine Profitänzerin und ein Profitänzer gaben durch expressiven Körpereinsatz schließlich den Anschub, dass sich auch die letzten im Publikum aus dem Zustand domestizierter Bewegungslosigkeit befreiten. Ein Konzert als partizipatives Ritual. Stefan Festini Cucho und Lukas Kranzelbinder fühlen sich gut motiviert, um dieses Format bei den kommenden Festivalausgaben noch weiter zu entwickeln.

Auch der Sound war top

Die zweite Hälfte des Südtirol Jazzfestival Alto Adige bot eine breite Vielschichtigkeit und immer wieder hochmotivierte, in ihrer Sache betont „authentisch" agierende Bands, die mit ihrem meist versunken lauschenden Publikum zu einem Ganzen verschmolzen. Auch das Sound-Team leistete in diesem Jahr hervorragende Arbeit, wenn es an jeder Location die Konzertereignisse in ihrer ganzen Brillanz und Farbigkeit zum Klingen brachten.

Brechend voll wird es am Pool im Park des Parkhotel Laurin, als der feingliedrige Klavierjazz des polnischen Joanna Duda Trios viel mehr als stylische Hintergrundbeschallung, sondern eine Menge kühner Abenteuerlust bietet. Lyrisch, empfindsam, assoziativ geht es im ebenso lauschigen Park des Mondschein-Hotels beim Auftritt der britisch-zentrierten Band „Let Spin" zu, der die von Max von Preetz getroffene Aussage, dass alle Musiker immer sehr gerne mit der Bassistin Ruth Goller spielen, einmal mehr bestätigt. Deren erdig-präsentes E-Bass-Spiel hat seine Wurzeln im Punkrock. Hier erweist sich Gollers unkonventionelle Saitenkunst als wunderbar anschlussfähig an die lyrischen Klangsphären des Gitarristen Moss Freed, um zusammen mit dem leichten warmen Abendwind die Seele zu streicheln.

Rauschmittel für die Nacht

Als wildgewordene Tiere der Nacht gebärdeten sich die Musiker des österreichischen Trios Edi Nulz. Voller Humor und einer Dramaturgie wie aus rasch geschnittenen Comicsstrips oder Gangsterfilmen und getragen von rotzigem Post Punk ließen es die drei spätnachts krachen. Der Trend geht überhaupt stark in rockige Richtungen. Aber eben so, dass auch improvisatorische Faszination ungebremst aufleuchten darf. So etwas ist Sache der deutschen Band Bobby Rausch. Statt krachiger Gitarren zeigen hier eine elektronisch aufgemotzte Bassklarinette und ein Baritonsaxofon, wo der Hammer hängt. Und klar: Ohne den groovend aufspielnden Drummer Nico Stallmann ist hier alles nichts. Genau solche Rauschmittel braucht es, um die Nacht in der mediterran kultivierten Südtiroler Provinzhauptstadt zu feiern.

Befreiung aus musealer Erstarrung

Das Südtirol Alto Adige Jazz Festival macht nicht nur neue Bands und Talente entdeckbar, es weitet auch den Horizont für Reisende, in dem der Blick auf viele erstaunliche Locations und auch Bauwerke gerichtet wird. Wem ist nicht schon beim Befahren der Brennerautobahn diese monströse Befestigungsanlage aufgefallen, deren Name „Franzensfeste" geografisch als Tor zu Südtirol gut bekannt ist? Unter dem Motto „Jazz at Fortress" wurde die gigantische Anlage nun in ihrer ganzen Dimension erfahrbar. Und damit auch aus jeder musealen Erstarrung herausgeholt, weil kreative, versierte Musiker das Bauwerk zum Klingen und damit eine Atmosphäre, die lebt, erzeugen. Dan Kinzelmann (sax), Glauco Benedetti (tuba) und Filippo Vignato (Trombone) pumpten ihre Schallwellen, Tonfolgen und Improvisationen durch die dunklen Gänge der Kasematten. Getoppt wurde das ganze noch durch einen überragenden Freiluft-Auftritt des Sextetts Ghost Horse mit seinen charismatischen, wie auch hoch differenzierten Jazzrock-Mixturen.

Und ja: Bei der ausgiebigen, musikalische „angeführten" Begehung und schließlich noch bei einem heftig lauten Open-Air-Konzert macht die Fantasie dauernd Luftsprünge: Was könnte man in dieser verzweigten, heute von friedlichem Grün überwucherten Burg alles in kultureller Hinsicht verwirklichen? Auch der gut erreichbare Standort an der Durchfahrtsroute zwischen den Alpen und dem Süden ist ideal, damit hier jedes Projekt Reichweite bekommt. Man kann nicht aufhören, zu appellieren und zu sensibilisieren, dass sich die Verantwortlichen solch immenser Chancen für die Kultur bewusst werden. Das Südtirol Jazzfestival Alto Adige hat hier - wieder einmal! - einen Anfang gemacht.

In programmatisch-musikalischer Hinsicht gab es Anfänge und Neuentdeckungen zuhauf. Eine ganz besondere gab es am vorletzten Festivalabend zu erleben: Die in Guatemala geborene und heute in Mexiko lebenden Sängerin und Cellistin Mabe Fratti hatte zuvor schon ein fragiles Solorecital im Garten eines Berghotels hoch oben über Bozen geliefert. Jetzt versetzte sie auf der großen Bühne ihr Publikum in eine andere Welt. Sie singt ihre Songs und spielt auf dem Cello, dass alles in jedem Moment emotional ans Eingemachte geht, mit einer fabelhaften Band, die es überhaupt nicht nötig hat, circensisch rumzujazzen - dann dafür lebt einfach zu viel himmlische Wucht, die auch auf jeder großen Rockmusik-Bühne für ganz neue Farben sorgen würde.

Angekommen in der Stadtgesellschaft

Lohn des ganzen leidenschaftlichen Engagements der zahllosen Bands und Musiker und ebenso des Festivalteams, das in Bozen stets mit ganzer Liebe bei der Sache ist: Schon am vorletzten Abend war klar, dass diese Festivalausgabe einen Publikumsrekord aufstellen würde. Die positive Entwicklung dürfte noch einem weiteren Umstand geschuldet sein. Seit drei Jahren hat eine Open-Air-Bühne mitten in der Bozener Altstadt dem Festival eine neue Zentriertheit gegeben, was naturgemäß der Anziehungskraft in der Stadtgesellschaft gut tut. Noch nicht spruchreif, aber leider denkbar ist, dass diese Freiluftbühne im Kapuzinerpark im nächsten Jahr schon wieder Geschichte sein könnte, weil möglicherweise ein städtisches Bebauungsprojekt dazwischenfunken könnte. Wohlgemerkt „könnte". Hoffnungsvoll stimmt die große Motiviertheit und Kreativität des neuen Leitungsteams, das schon über viele Jahre ins gestalterische Konzept dieses Festivals hinein gewachsen ist. Max von Preetz, Roberto Tubaro und Stefan Festini Cucco werden bestimmt weiterhin gute Lösungen finden, um die Einzigartigkeit dieses Festivals künftig zu erhalten.

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