Stille Beobachtungen
Greg Lamy Trio auf der Wasserburg Lüttinghof
TEXT: Peter E. Rytz | FOTO: Peter E. Rytz
Der Rittersaal auf der Wasserburg Lüttinghof ist durch die Reihe FineArtJazz zu einer der stilvollsten Jazz-Locations geworden. Für ein Konzert mit dem französisch-luxemburgischen Greg-Lamy-Trio wäre kein passenderer Ort denkbar gewesen.
Die Luftlinie zwischen dem Mikro-Naturschutzgebiet rund um die Wasserburg Lüttinghof nördlich von Gelsenkirchen und der Autobahn A 52 beträgt nur wenige hundert Meter. Die visuellen Kontraste zwischen dem nach der Autobahnabfahrt von blauem Neonlicht erhellten Abendhimmel und der schmalen, dunklen Straße zur Wasserburg sind dagegen riesig. Innerhalb weniger Autominuten ein Wechsel in eine andere Welt.
PublicJazz Events hat schon seit geraumer Zeit den Rittersaal der Wasserburg als Jazz-Location entdeckt. Der mit zwei barockisierenden Karyatiden geschmückte Kamin im Rittersaal verströmt bürgerlich rustikale Gediegenheit. Romantisch verklärt, von Hochzeitspaaren gern gebucht.
Der Sound des Greg Lamy Trios passt an diesen abgeklärten, sich im Nirgendwo jenseits industrieller Ruhr-Normalität fast märchenhaft öffnenden Ort. Der Gitarrist Greg Lamy groovt sich mit Laurent Gautier (b) und Jean-Marc Robin (dr) stilvoll und bewusst in diese Atmosphäre ein.
Es ist, als hätte das Trio für seine CD Observe the Silence (IGLOO Records 2021) diesen Ort imaginiert. Die Musiker spielen hauptsächlich Stücke von dieser Veröffentlichung. Aus der Beobachtung der Stille entwickeln sie einen Sound, der einlädt, sich genießend und entspannt zurück zu lehnen. Es fehlt eigentlich nur noch, dass das Kaminfeuer flackerte, Wein im Glas funkelte, um sich behaglich eingerichtet, den Soft-Jazz-Klängen des Trios hinzugeben.
Ein Glas Wein, alternativ auch eine Flasche Bier haben einige der etwa 50 Besucher des aufgrund verringerter Kapazität bis auf den letzten Platz besetzten Konzerts fast selbstverständlich geordert. "Das ist irre, dass ihr uns Euer Vertrauen so überwältigend schenkt", ist der Macher Bernd Zimmermann begeistert.
Lamys harmonische Riffs, punktierte Akkorde aneinander reihend, bauen melodische Brücken, die Gautiers Bass raunend und das zunächst eher zurückhaltend kommentierende Drum-Spiel von Robin in einem ihnen eigenen Beobachtungszustand vereinen.
Solistische Arabesken und Improvisationen
Poetisch bis balladesk – My Dearest (for Camille) oder die Premiere von Daddy and Daughter (ein Stück, das auf der nächsten CD veröffentlicht werden wird) – reflektieren Lamys Kompositionen häufig familiäre Situationen (I told you, dedicated to my daughter), unterstrichen durch gestisch mimischesArtikulationen. Augen strahlen, Lippen formen lautlos Töne, der Körper streckt sich auf Zehenspitzen mit Betonungen der Höhen und der Übergänge, die Gautier und Robin den Teppich für solistische Arabesken und Improvisationen auslegen.
Lamys Gitarre lacht und weint poetisch ausladend. When my guitar gently weaps, assoziiert einen Lyrismus, der sich nicht als Beatles-Epigone verläuft. Für ein balladeskes Sounding steht vor allem Gautiers Bassspiel. In den meisten Stücken gelassen die Mitte des Trios bestimmend, klangmalt er mit dem Bogen dialogische Echos.
So wie Gautier mitunter Vorgaben macht, die Gitarren-Dominanz unterbricht, Schlagzeug und Gitarre sie aufnehmen, so bringt Robin, in Morphine zum Konzertauftakt noch eher unterkühlt, in The Day is over, featuring Gauthier ein geschmeidiger Dialogpartner, in der Manier Let’s go! Ride-Becken und Hi-Hat ins Wanken. Dank des gedankenschnellen Zugriffs von Gautier fließen Robins kaskadierende Energiestromschläge in beruhigte Sound-Gewässer zurück.
Observe the Silence – eine Aufforderung an die Zuhörer und musikalisch ein weiterer Schritt des Trios in ihrer seit mehr als einem Jahrzehnt andauernden Karriere.