Stefan Schultze Large Ensemble
Tribute to Morton Subotnick
TEXT: Uwe Bräutigam | FOTO: Uwe Bräutigam
Der Berliner Pianist Stefan Schultze ist als Komponist ein umtriebiger Klangforscher. In seinem Large Ensemble versammelt er profilierte Instrumentalisten, die seine Klangästhetik mit ihren spezialisierten Fähigkeiten umsetzen können. Seit mehr als eineinhalb Jahren beschäftigt er sich mit der Komposition Silver Apples Of The Moon des Elektronik Pioniers Morton Subotnick.
Dieses Werk hat Subotnick für den von Don Buchla (1937-2016) mit seiner Hilfe konstruierten analogen Synthesizer Buchla 100 geschrieben. Der Buchla 100 gilt als der erste analoge Synthesizer, er wurde ein Jahr vor dem ersten Moog fertig gestellt. Silver Apples Of The Moon war eine Auftragskomposition des Nonsuch Labels. Es wurde im Juli 1967 veröffentlicht und war eine bahnbrechende Komposition. Der Titel Silver Apples Of The Moon stammt aus dem Gedicht The Song Of Wandering Aengus des irischen Poeten William Butler Yeats.
Stefan Schultze versucht in seiner The Buchla Suite zu ergründen, in wie weit es möglich ist, dass ein komplettes Ensemble die Funktionsweise eines Synthesizers umsetzen kann, d.h. was es bedeuten würde, die Logik eines Oszillators, eines Sequenzers, eines Filters oder eines Chaosgenerators auf den Kompositionsprozess anzuwenden. Es geht Schultze allerdings nicht um eine Eins-zu-eins-Übertragung eines elektronischen Werkes in analoge Musiksprache, sondern es geht ihm um die Schaffung einer Sprache, die genutzt werden kann, um noch nie da gewesene musikalische Ergebnisse zu erzielen. Damit steht Stefan Schultze ganz in der Tradition von Morton Subotnick, der auch mit seiner Komposition einen neuartigen Klang erzeugen wollte, der es schwierig mache ihn zu reproduzieren.
Stefan Schultzes Buchla Suite ist im Loft in zehn Stücke plus Zugabe unterteilt. Und folgerichtig beginnt die Suite mit dem Titel Buchla 1. Schon mit den ersten Tönen wird deutlich, dass die Musik von den herausragenden Instrumentalisten*innen getragen wird. So werden in den einzelnen Teilen der Suite auch unterschiedliche Musiuker*innen besonders gefeatert. Im zweiten Stück mit dem Titel Spectral Samples ist dies die Sängerin Almuth Kühne, die die ungewöhnlichsten Klänge mit ihrer Stimme produziert. Im dritten Stück lässt der Titel Arpeggiator schon ahnen, das Arpeggios eine große Rolle spielen. Das vierte Stück ist ein Trio mit Stefan Schultze am Piano,Roland Neffe an der Marimba und Shiau-Shian Hung am Vibraphon. Die Letztere ist kurzfristig für Els Vandeweyer eingesprungen und hat zum ersten Mal dieses Stück gespielt und herausragend improvisiert. Shiau-Shian Hung ist in Taipeh auf Taiwan geboren und hat an der Folkwang Universität studiert. Sie lebt nun in Köln.
Im letzten Stück vor der Pause, Tripsody, ist das Ensemble wieder vollzählig. Peter Meyer hat seine E-Gitarre präpariert, die Bläser arbeiten mit Luftgeräuschen und Tom Rainey setzt mit seinem Schlagzeug harteAkzente.
Stefan Schultze hat nicht nur Saxophone und Trompete in seinem Ensemble, sondern auch ein Horn, das von Elena Kakaliagou hervorragend bedient wird.
Nach der Pause geht es mit dem Titel Buchla 12 weiter. Hier hat Stefan Schultze sich von der irischen Mythologie des oben genannten Gedichts von Yeats inspirieren lassen. Hier spielen Almuth Kühne, Stimme, Peter Meyer, Gitarre und Felix Henkelhausen am Bass ein bemerkenswertes Trio. Im Titel, Buchla 8,greift Stefan Schultze einzelne Fetzen aus der Buchla Suite auf und ordnet sie “obwohl es ungeordnet klingt“. Keineswegs, ein Sück, das aus Einzelteilen besteht, die aber alle eine wahrnehmbare Struktur haben.
Wie sehr die Musiker im ganzen Prozess partizipieren, zeigt sich z.B. wenn Peter Ehwald, Einsätze gibt oder andere Musiker in den Ablauf eingeben. Bei dem Stück Rauschen ist es Leonard Huhn, der die Führung übernimmt und alle Einsätze gibt. Wie vom Titel zu erwarten, beginnt das Stück mit Luftgeräuschen der Bläser und von Almuth Kühne. Die Bläser spielen dann relativ schnell wieder Töne. So entsteht aus dem Rauschen ein Bläserklang.
Bei Buchla 9 wird verständlich warum auch Rockbands wie Greatful Dead durch Silver Apples Of The Moon inspiriert wurden und auch ein gleichnamiges Stück schrieben. Buchla 9 ist sehr rhythmusbetont. Hier geht die Post ab. Harte Beats durchziehen das Stück. Besonders der zweite Teil von Morton Subotnicks Werk hat klare Rhythmen. Subotnick sagt dazu, dass er fast zufällig diesen Beat entdeckte. Die Programmierung von Sequenzen dauerte damals sehr lange, manchmal Tage. Und als er bemerkte, dass er ganz ohne Absicht einen pulsierenden Rhythmus entwickelt hatte, fing er an dazu zu grooven. Genau das passiert auch bei Buchla 9 , mit dem Unterschied, dass es nicht zufällig entstanden ist. Peter Meyer an der Gitaare und Magnus Schriefl an der Trompete haben tragende Rollen in diesem Stück.
Das Publikum spendete viel Beifall und so gab es noch Buchla 10 als Zugabe. Bei der Almuth Kühne aus dem Yeats Gedicht rezitiert: …because the fire was in my head … the silver apples of the moon … the golden apples of the sun…und dies mit ihrer sehr speziellen Gestik unterstrich.
Die Buchla Suite zeigt wieder, dass Stefan Schultze einer der wichtigen Komponisten der Gegenwartsmusik ist, weit über den Rahmen von Jazz oder improvisierter Musik hinaus, mit deutlichen Anteilen Neuer Musik.
Das Konzert im LOFT war eine Art Generalprobe. Danach nimmt das Stefan Schultze Large Ensemble im Deutschlandfunk auf.
www.stefanschultze.com