Bild für Beitrag: Spitze Schreie und Lippengeräusche | soundtrips 14 im Haus Witten
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Spitze Schreie und Lippengeräusche

soundtrips 14 im Haus Witten

Witten, 09.05.2013
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | FOTO: Heinrich Brinkmöller-Becker

Den äußerst umtriebigen Machern der vom Kultursekretariat NRW unterstützten Reihe ‚Soundtrip‘ gelingt immer wieder ein Zusammenkommen von spannenden MusikerInnen der Improvisierten Musik, die in einer jeweiligen Reihe in unterschiedlicher Zusammensetzung musizieren. Diese bringen dabei ihre jeweilige Spezifik mit ein und tragen wie das Ineinandergreifen verschiedener Zahnräder zu einem jeweils unterschiedlichen – immer wieder überraschenden – Gesamtkunstwerk bei. So geschehen im gläsernen Konzertsaal des ehemaligen Gerichtsherrensitzes in Witten. In der mittlerweile 14. Runde von ‚Soundtrip‘ sind zu hören: Isabelle Duthoit (Klarinette, Stimme) und Franz Hautzinger (Trompete) und als Gäste an diesem Abend und diesem Ort Erhard Hirt (Gitarre), Martin Theurer (Klavier) und Fabian Siebold (Schlagzeug).

Eröffnet wird das Konzert mit einem „französisch-österreichischen“ Solo von Isabelle Duthoit und Franz Hautzinger. Die Komponistin und Interpretin aus Paris mit reichhaltiger Erfahrung in Neuer und improvisierter Musik – u.a. mit ihrer Gruppe um den Posaunisten Johannes Bauer und dem Bassisten Luc Ex und als Professorin für Klarinette und Improvisation am Conservatoire à rayonnement départemental d‘Evry – steigt im ersten Set ausschließlich mit ihrem natürlichen Instrument, ihrer Stimme, in die Improvisation ein. Hier entwickelt sie eine nicht enden wollende Vielfalt an Ausdrucksmöglichkeiten ihres Stimmapparats vom spitzen Schrei, von Lippengeräuschen, vom Falsett bis zum Obertongesang. Beachtlich ist in der Tat, wie Isabelle Duthoit ihren Kehlkopf und die Resonanzräume ihres Körpers strapaziert. Beachtlich ist ebenfalls dabei das Spektrum ihres Stimmklangs, das mit dem der ähnlich eingesetzten Trompete von Franz Hautzinger korrespondiert. Der Einsatz seines Instruments ist für eine Trompete eher „unüblich“: Auch hier dominieren eher die „Nebenklang“-erzeugenden Geräusche des Instruments, ein rhythmisches Hauchen in die Trompete und das Klappern mit den Ventilen. Zusammen entsteht ein wunderbares Klanggebilde, das mit dem Begriff der Reihe ‚Soundtrip‘ sehr passend beschrieben ist.

Die Gäste greifen diesen Ansatz in ihrem folgenden Trio-Set kongenial auf. Auch hier entsteht ein interessantes und die Zuhörer in den Bann schlagendes Zusammenspiel dem Klang und den Klangeffekten zuliebe: durch den Flügel - von Martin Theurer eher als Saiten-Schlaginstrument eingesetzt –, durch Erhard Hirts Behandeln der Gitarre und des Laptops als umfassenden Klang-Körper und durch das immer wieder überraschende Spiel von Fabian Siebold am Drum-Set mit dem Einsatz von z.B. vom Plastikbecher, von Deckeln, Tellern, Glocken. Spannung wird nicht nur durch die jeweiligen Klangwelten erzeugt, die sich mal mehr, mal weniger aufeinander beziehen, sondern auch durch eine geschickte Dynamik, die das Trio generiert durch anschwellende Motive oder besser: Motiv-Ansätze bis zum puren Lärm, durch abrupte Stille, durch allmähliches Neu-Entwickeln einer klanglichen Idee. In gleicher Weise spielt das französisch-österreichische Gastgeber-Paar anschließend mit den Gästen zusammen. Auch im Tutti wird deutlich: Hier musiziert ein Ensemble mit großer Erfahrung und viel Spielfreude an der gemeinsamen Entwicklung von improvisierten Klanglandschaften, von einer Dynamik vom Leisen zum Lauten, vom Reinen zum Rauen, vom Sanften zum Wilden. Man wünscht sich, Duthoit & Hautzinger an den nächsten Abenden mit anderen „Zahnrädern“ zuhören zu können: im Essener Goethebunker (hier als Gäste Ute Völker am Akkordeon und Constantin Herzog am Kontrabass) und am 9.5. im Bochumer Kunstmuseum mit Robert Landfermann am Kontrabass und Martin Blume am Schlagzeug.

Weitere Informationen: www.soundtrips-nrw.de

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