Spirit und Power in den Flottmanhallen
Grandioses Duokonzert mit Stevko Busch und Paul van Kemenade
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | FOTO: Heinrich Brinkmöller-Becker
Nach einer zweiwöchigen Russland-Tournee in großen Sälen mit zum Teil 1.000 Zuhörern kommt das Duo Stevko Busch und Paul van Kemenade in die Herner Flottmann-Hallen. Im eher intimen Rahmen laden die Herner regelmäßig mit ihrer Reihe ‚Ambitionierte Konzerte’ Spitzenmusiker der improvisierten Musik ein, so auch mit dem Niederländer Paul van Kemenade am Altsaxophon und dem in Amsterdam lebenden Rheinländer Stevko Busch am Flügel. Das Duo spielt bereits seit 1995 zusammen, bekannt ist u.a. ihre CD On songs, Russian Chants, Miniatures (2010). So verwundert es auch nicht, dass der Konzertabend in Herne mit einem russischen Gesang beginnt, in dem bereits die ganze Kunstfertigkeit der beiden Musiker deutlich wird. Egal, welches Material auch anschließend ihrer Musik zugrunde liegt: ob russisch-orthodoxe Lieder, ob die Eigenkomposition von Stevko Busch (Pace), ob Stücke von Paul Motion oder Abdullah Ibrahim: Die Interpretationen und Improvisationen des Duos erzeugen eine eigentümlich intensive Musiksprache, die sich erkennbar aus den verschiedenen Stilrichtungen der improvisierten Musik speist und zu Miniaturen eigenen Stils verdichtet. Ihre Musik entwickelt dabei – ausgehend von Melodielinien – einen narrativen Reichtum, in den Phrasierungen einen Einfallsreichtum, die die Lyrismen der melodischen Bögen zum Teil in elegische Höhen, zum Teil in expressive Ausbrüche überführen.
Für letztere gibt For Russia From Love ein schönes Beispiel: Das Duo beginnt im melodiebetonten Miteinander, um anschließend dem Pianisten eine längere Solo-Passage auf der Grundlage eines wuchtigen Ostinato zu überlassen.
Das von Dinesh Mishra ursprünglich für die indische Bambusflöte geschriebene Follow passt ursprünglich erkennbar eher in die Kategorie des Ethno-Pop, Busch und van Kemenade entwickeln daraus eine eigene Ästhetik fern von jeglichem Pop-Zuckerguss. Vor allem die rasant gespielten Arpeggien des Alt-Saxes geben der Interpretation immer wieder neue melodisch-harmonische Wendungen. Ähnlich das von Stevko Busch zu Beginn des zweiten Irak-Krieges in Rom geschriebene Pace. In der hymnischen Ballade reizt Paul van Kemenade sein Horn voll und ganz aus: mit kraftvollem Spiel und immer variierendem Umspielen auf dem gesamten Register seines Instruments.
Im Unisono treffen sich ansatzweise die Stimme des Klaviers, des Alt-Saxes und bei manchen Stücken auch die des mitsummenden oder -pfeifenden Pianisten. Die Musik verbleibt dabei nicht im Melodieseligen, Pianist und Saxophonist erreichen mit ihrem Spiel eine geradezu suggestive Schönheit, indem ihre Phrasierungen Elemente des Cool, des Swing und Bebop und gelegentlich des Free einbeziehen. Die Reminiszenz an Sakralem macht sich nicht nur in dem Umgang mit dem liturgischen Material russisch-orthodoxer Provenienz bemerkbar, einen Ansatz von einem gewissen weihevollen Spirit spürt man auch in ihrem gesamten Spiel, das bei allem powervollen Ansatz immer die Nähe zum Meditativen hält. Umwerfend ist der Ton von Paul van Kemenades Alt-Sax: expressiv scharfkantig bis hin zu schmelzenden Lyrismen und bluesiger Klage, immer blitzschnell in vielen Skalen mäandernd, ebenso blitzschnell die Register wechselnd, zum Teil mit Gänsehaut-generierenden Subtones. Große Klasse!
Auf das in Kürze erscheinende zweite Album des Duos DEDICATION im Doppelkonzert mit Archie Shepp darf man sehr gespannt sein.