Spielwitz und Raffinesse
Weltmusikfestival Grenzenlos 2013
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Christoph Giese
Musik als Ausdruck einer Geisteshaltung; Musik, die die Entwicklung einer Generation begleitet hat - die Musik der 1960er und 1970er hat das stellenweise getan. Und genau diesem Spirit wollte Thomas Köthe, nun schon im 14. Jahr verantwortlich für das kleine, feine Weltmusikfestival „grenzenlos“, mit seinem diesjährigen Programm „Songs Of Freedom“ nachspüren. Dieser Titel ist übrigens gewählt nach dem gleichnamigen, letzten Album des französisch-vietnamesischen Gitarristen Nguyên Lê, der mit dieser Produktion das viertägige Festival in Murnau beschloss. Eröffnet wurde es von der Murnauer Sängerin Barbara Mayr und ihrer Band um den Pianisten und Keyboarder Chris Weller. Der hat Songs der Beatles, Joni Mitchell oder Sting wirklich sehr hübsch neu arrangiert, dabei etwa Lennon/McCartneys „Fool On the Hill“ ein lockeres Sambafeeling untergerührt oder „Come Together“ aus gleicher Feder als souljazzige und funkig groovende Nummer mit Orgel umgestaltet. Barbara Mayr sang all das mit ihrer ausdruckstarken Stimme ziemlich gut, aber irgendwie immer auch ein wenig gleichförmig. Ein unterhaltsames und interessantes Auftaktkonzert war es dennoch. Unter dem Titel „Imagine“ (moderntunemusic) hat Barbara Mayr übrigens ganz frisch die Songs des Abends auf einem Tonträger im Eigenvertrieb veröffentlicht.
Normalerweise ist der Gitarrist Alvaro Pierri eher in der Klassik daheim, für „grenzenlos“ jedoch konzipierte der Mann aus Uruguay mit Wohnsitz in Wien ein ganz spezielles, weltumspannendes Programm. Mit Stücken von George Gershwin oder Dusan Bogdanovic, von Astor Piazzolla bis Carlos Gardel, von Caetano Veloso bis Egberto Gismonti oder Guinga. Egal, was Pierri an diesem Abend auch spielte, eigens verzierte und mitunter fließend zusammenführte – es sind diese unglaubliche Sensibilität und die große Kunst der Reduktion, die sein farbenreiches Spiel auf der Konzertgitarre einzigartig strahlen lassen. Farbenreich, das trifft auch auf das Spiel des Trios Carly Bley – Steve Swallow – Andy Sheppard zu, die mit ihrem neuen und zugleich ersten Album für ECM, „Trios“, alte Bley-Kompositionen neu und eben voller umwerfender Klangfarben umspielen. Carla Bleys eher asketisches Klavierspiel, die mit ihren federleichten Grooves förmlich singende Bassgitarre von Steve Swallow und das absolut intonationssichere Spiel des Briten Andy Sheppard auf Sopran- und Tenorsaxofon, seine dabei mitunter mit viel Luft geblasenen und dann fast hingehauchten Linien - diese drei meisterlichen Instrumentalstimmen miteinander kommunizieren zu hören, wie sie sich gegenseitig Räume öffnen, um dann wieder zu dreistimmigen Eintauchen in Folkloristisches, einem Gospel oder einer berührenden Ballade zusammenzufinden, das riss das äußerst aufmerksam lauschende Murnauer Publikum am Ende zu Beifallsstürmen hin. Zeitlos musiziert dieser kongeniale Dreier nun schon seit zwei Jahrzehnten miteinander. Und so wie Bley, Swallow und Sheppard in Murnau spielten, darf man sich eine noch längere Fortsetzung dieser Konstellation nur wünschen.
Nguyên Lê und seinem Projekt „Songs Of Freedom“ den ziemlich rockigen Festivalabschluss zu überlassen war eine prima Idee von Thomas Köthe. Denn der Gitarrist aus Paris tauchte noch einmal tief in Songs der Epoche ein, die der Programm-Macher in diesem Jahr bei grenzenlos beleuchten wollte. Led Zeppelin, Janis Joplin oder Cream lieferten die Vorlagen und Lê und seine fünfköpfige Band mit Vibrafon, E-Bass, Schlagzeug und der Sängerin Himiko Paganotti zogen den Kultsongs dieser Künstler mit viel Spielwitz und Raffinesse fesselnde neue musikalische Kleider an. Stevie Wonders „Pastime Paradise“ als psychedelisch angehauchtes, aufwühlendes Stück oder einmal mehr „Come Together“ von den Beatles als absolut mitreißend kraftprotzende Rocknummer mit fernöstlichem Einschlag, das hatte was.