Sphärischer Klangkosmos trifft auf sphärischen Kosmos
Enjuti im Bochumer Planetarium
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | FOTO: Heinrich Brinkmöller-Becker
Aus filigranen Einzeltönen, Disharmonien und eher tastend-suchenden Klängen entsteht allmählich eine Struktur. Eine repetitive Basslinie, über die sich perkussive Geräusche, zarte Klavierakkorde, eine „singende“ Gitarre legen. Mit dem Titel Die Grenze des Falls beginnt das Konzert in der Kuppel des Bochumer Planetariums – wie übrigens auch das Debutalbum Schönheit durch Zerbrechlichkeit von Enjuti - und nimmt das Publikum mit auf eine Reise der besonderen Art. Im absolut dunklen Raum erlebt man die wechselnden Bilder vom Sternenhimmel, von Planeten und Galaxien. Die Bühne ist nur schwach beleuchtet von Schwarzlichtlampen, die die Musiker zum geisterhaften Fluoreszieren bringen. In der Tat magisch wird das Zusammenwirken der Musik des Quartetts und der monumentalen Projektion von kosmischen Bildern. Der sphärische Kosmos trifft mit der Musik von Enjuti auf sphärischen Klangkosmos, was sich an dem Abend als eine ausgesprochen geglückte Performance erweist. Die Musik der 2010 in Köln gegründeten Band mit ihren Kompositionen allesamt aus der Feder von Andreas Völk amalgamiert straighten Rock, Progressive Rock, improvisierte Jazzelemente, -Phrasierungen und vor allem elektronische Sounds zu etwas Eigenständigem, zu einem sehr suggestiven Klangerleben, das in besonderer Weise zu dem Aufführungsort passt und eine Vielzahl von Korrespondenzen und Interferenzen erzeugt.
Titel wie Hate entsprechen mit spacigen effektlastigen Sounds und einer Dynamik vom Stillen bis zur hochenergetischen Wucht den Bildern vom Wirken des Universums von elementaren Teilchen bis hin zu Galaxien in seiner monumentalen Schönheit. Selten erlebt man eine so gelungene Verbindung von Musik und Klang und optischen Effekten, wie sie seit den psychodelischen Performances etwa von Pink Floyd und unzähligen Nachahmern versucht werden. Das Planetarium erweist sich als idealer Rahmen für die hypnotisch-schwerelose Musik von Enjuti, die übrigens nie in den Gestus des kitschigen Hintergrunds fürs „Entspannen“, fürs Wellness-Ambiente verfällt. Dafür sind die Phrasierungen, die Soli wie z.B. in Juniti vom Gitarristen Andreas Völk oder von Laurenz Gemmer am Piano, aber auch die Begleitung von Kenn Hartwig am Kontrabass und Thomas Sauerborn an den Drums zu raffiniert und getränkt von unterschiedlichen musikalischen Einflüssen. Wie beim genannten Konzertauftakt besteht die Basis der Musik aus einfachen Tönen, aus melodischen Linien oder rhythmischen Formen, die sich fliehkraftartig zu teilweise bombastischen drone-artigen Höhepunkten entwickeln, um sich wieder in verspielte Klangfäden aufzulösen. Nicht nur der Titel der Zugabe, Quantenflug, sondern generell die dynamische Beziehung von Minimalem und Gigantischem in der Musik verweist kongenial auf die projizierten Bilder und erzeugt neben einer gewissen hypnotischen Wirkung auch transzendentale Reflexe und Reflexionen.
Der Hausherrin des Planetariums, Prof. Susanne Hüttemeister, und ihrem Spiritus Rector und Organisator der unterschiedlichen Musikreihen, Helmut Schüttemeier, sei neben den Musikern für die perfekte Performance unter dem Sternenhimmel gedankt. Mehr davon!