Bild für Beitrag: Solist im Schatten | Tyshawn Sorey Trio bei der Ruhrtriennale
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Solist im Schatten

Tyshawn Sorey Trio bei der Ruhrtriennale

Bochum, 06.09.2025
TEXT: Peter E. Rytz | FOTO: Volker Beushausen

Was passiert, wenn ein als Universalgenie beworbener Musiker auf der Bühne nicht das einlöst, was die Programmankündigung verspricht? Bei der Ruhrtriennale erlebte das Publikum eine solche Überraschung: Der gefeierte Schlagzeuger Tyshawn Sorey trat über weite Strecken des Konzerts in den Schatten seines Bandkollegen.

Dem Musiker Tyshawn Sorey räumt die Ruhrtriennale eine besondere Präsenz in verschiedenen Konzertformaten ein. Angekündigt als Universalgenie, das selbstredend als Selbstläufer Genregrenzen keine Beachtung schenkt. Die weitere Zuschreibung, Sorey sei ein Ausnahmeschlagzeuger, bestätigt sich nach dem Konzert zusammen mit dem Pianisten Aaron Diehl und dem Kontrabassisten Harish Raghavan in der Turbinenhalle an der Jahrhunderthalle Bochum jedoch nicht. Dem 70-minütigen Set, offenbar eine Eigenkomposition von Sorey, gibt vor allem der Pianist mit seinem nuancierten, arabesk deklinierten Spiel eine Struktur. Die ihm von der New York Times bescheinigte melodische Präzision, harmonische Gelehrsamkeit und elegante Zurückhaltung zeichnet ein Bild, das wie ein Palimpsest in Bochum aufscheint. Mit einem nach innen gewandten Lächeln, das sich später auch nach außen öffnet, ist es, als würde er jede Note sorgsam einhegen.

In diesem evozierenden Pianospiel, das wie von der Aura einer zen-buddhistischen Meditation umweht zu sein scheint, verharren Raghavan und Sorey zumeist in der Rolle aufmerksamer Begleiter. Dabei widerstreitet die Komposition einer Ordnung behaglicher Ruhe in unruhigen Zeiten. Sie ist auf der Suche nach Möglichkeiten, nach Verhaltensoptionen, dieser Ordnung eine eigene Kraft entgegenzusetzen. Allerdings blitzt selbst im einzigen Solo des Bassisten nur für Momente die seinem Spiel von der Kritik vielfach attestierte authentische Behandlung seiner musikalischen Wurzeln auf. Zurück bleibt ein Eindruck von Solidität, der mehr Kreativität vermissen lässt.

Wo blieben die architektonischen Klangräume? 

Dass auch Sorey die gestaltende Trio-Kommunikation im Wesentlichen dem solistischen Empowerment des Pianisten Diehl überlässt, überrascht angesichts seines weltweiten Renommees. Als Artist-in-Residence beim Jazzfest Berlin 2017 sowie als Pulitzer-Preisträger für Musik 2024 auf verschiedenen Bühnen mit Jazz-Standards, Improvisation und Neuer Musik omnipräsent, wartet man an diesem Abend vergeblich auf die von seinem Schlagzeugspiel gebauten architektonischen Klangräume. Es fehlt das ansonsten für ihn typische Momentum, in dem zeitgenössische Kompositionen zu Dispositionen werden, die er facettenreich dekliniert und gleichsam als Sound-Vorrat für weitere Expositionen nutzt.

Die Idee der Temporeduzierung, um analytisch den Kern der Komposition zu sezieren und sie neu – wie auf der CD Mesmerism von 2022 – zu konstruieren, klingt nur verhalten in der Zugabe an. Wobei Zugaben in der Regel, wie auch hier, hinter dem künstlerischen Anspruch des Konzerts zurückbleiben. Die verschränkt dekonstruierte Blues-Ballade, die sich final zu einem Marsch verstetigt, kann das Trio-Spiel nicht retten. Auch nicht dadurch, dass Sorey am Ende seine Schlagzeugstöcke effektvoll in die Luft wirft – nicht mehr als eine peinliche Aufmerksamkeitsattitüde.

Unwillkürlich liebäugelt man, je länger das Programmkonzert andauert, mit der Vorstellung, Diehl wäre als Solist des Abends präsentiert worden. Nach diesem Konzert steht solch ein Wunsch im Raum, der sich nach der vollmundigen Sorey-Ankündigung als überraschend selbstverständlich anfühlt. So selbstverständlich, wie der riesige, rot angestrahlte Haken als Zeuge einer vergangenen Industriegeschichte der Turbinenhalle gelten kann, könnte man den Pianisten gleichermaßen als Hoffnungsträger ansehen.

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