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So kingt das Baltikum

Jazzkaar 2021 in Tallinn

Tallinn, 01.09.2021
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Jazzkaar

Estlands Jazzszene hat einiges zu bieten – und das Festival „Jazzkaar“ in der Hauptstadt Tallinn präsentiert dem neugierigen Zuhörer davon jedes Mal wieder aufs Neue.

Mystisch klingt es, wenn Naïssam Jalal in eine ihrer Flöten bläst und zwischen modalem Jazz und traditionellen orientalischen Motiven changiert. Packend, wenn sie beim Flöte spielen zwischendurch noch ergreifend singt. Die syrisch-französische Flötistin und Sängerin sorgte mit ihrem Trio mit ihren beiden großartigen Begleitern und Klanggestaltern, Pianist Leonardo Montana und Kontrabassist Claude Tchamitchian, beim letzten Konzert des Auftaktabends des diesjährigen „Jazzkaar“-Festivals für magische, intime und sehr berührende Momente im kleineren der beiden Hauptspielorte des Festivals mitten im Kreativquartier Telliskivi der estnischen Hauptstadt. Im Fotografiska herrschte eine besondere Stimmung beim Hören dieser außergewöhnlichen Musik, mit der man anschließend richtig beseelt nach Hause ging.

Tallinn, am finnischen Meerbusen gelegen, gegenüber von Finnlands Hauptstadt Helsinki, das prima mit einer Fähre erreicht werden kann, mit seiner postkartenschönen Altstadt und der zauberhaften Natur in unmittelbarer Nähe, beheimatet das größte Jazzevent des Baltikums. Eigentlich findet es jedes Jahr im Frühjahr statt, wegen Corona nun im Spätsommer, der sich in Tallinn mit seinen doch schon frischen Temperaturen aber eher schon zumindest wie Frühherbst anfühlt. Aber der Sommer war ungewöhnlich heiß, wie im ganzen Baltikum und der Este beschwert sich sowieso eher nicht über das Wetter.

Am ersten Abend von drei Terrassenkonzerten, bei denen estnische Musiker in kleinen Besetzungen auf Terrassen von Privatpersonen spielen, ist sogar der Himmel blau. Und so sitzt man da, hoch oben auf dem Dach eines Wohngebäudes im beliebten Stadtviertel Kadriorg, schaut über Teile der Stadt, und hört der Sängerin Eleryn Tiit zu, die im Duo mit einem Gitarristen mit poppigen Klängen ganz nett unterhält.

Musikalisch spannender war da später am Abend der Auftritt des estnischen Schlagzeugers Tanel Ruben im größten Saal des diesjährigen Festivals, ist sein Quintett mit Bassist Taavo Remmel, Saxofonist Raivo Tafenau und den beiden auch in Deutschland bekannteren Akteuren, Pianist Kristjan Randalu und Sängerin Kaadri Voorand, doch eine echte estnische All Star-Band. Voorand ist eine charismatische Frontfrau, die mit auf Estnisch gesungenen, aber mindestens genauso mit ihren freien Vokalimprovisationen immer wieder mitreißt in einem wohlklingenden, melodischen Mainstream-Jazz.

Das Publikum bei „Jazzkaar“ ist erfreulich jung. Liegt vielleicht auch ein wenig an der Venue des Festivals. Denn das Kreativquartier Telliskivi, auf dem Gelände einer ehemaligen Fabrik, ist ein echt hipper Ort geworden, in dem Unternehmen, Organisationen und Start-Ups beheimatet ebenso wie Design-Shops, eine Galerie, drei Theater sowie Restaurants und Bars. Für dieses junge Publikum sind Acts wie der liberianisch-finnische Soulsänger Jesse Markin oder die estnische Sängerin Ellip mit ihrem Mix aus groovigem R&B und Jazz beim diesjährigen „Jazzkaar“ genau richtig. Da werden dann die Stühle im Saal weggeräumt und es herrscht Club-Atmosphäre.

Entdeckenswert in Tallinn: Die wunderschönen, vielfach sanften und getragenen jazzig-poetischen Songs mit Singer/Songwriter- und Popcharakter des Quintetts der estnischen Bassistin Mingo Rajandi. Die spannenden Klangsuchereien des kongenialen Duos des französischen Perkussionisten Mino Cinélu mit dem norwegischen Trompeter Nils-Petter Moolvær. Oder die „London-Tallinn Cosmic Bridge“, ein interessantes Projekt in Quartettbesetzung vom so kreativen und vielseitigen estnischen Gitarristen Jaak Sooäär und der in England lebenden, polnisch-ukrainischen Harfinistin Alina Bzhezhinska – unter anderem mit Tributsongs an John und Alice Coltrane.

Und dann war da noch das in Amsterdam beheimatete Trio „Tin Men and the Telephone“, das zeitgemäßer kaum sein könnte. Denn der Dreier um Pianist Tony Roe musiziert nicht nur parallel zum Wortlaut von Kommentaren oder Interview-Ausschnitten, etwa von Greta Thunberg zur Klimakrise, die live auf einer großen Leinwand gezeigt werden, sondern bindet das Publikum immer wieder mit ins Geschehen ein. Auf den eigenen Smartphones sollen die Zuhörer mal Melodien, mal Beats kreieren, mittels einer App, die vor Konzertbeginn heruntergeladen werden muss. Die Ergebnisse werden über die Lautsprecherboxen abgespielt, die besten mittels der App ausgewählt, und darüber improvisiert dann das Trio. Alles eingebunden auf einer imaginären Reise zum Planeten Jazzmars. Das Konzept hat schon einen hippen Charakter, wurde von den Tin Men zur schon mitternächtlichen Stunde aber vielleicht ein wenig zu sehr ausgereizt.

Eine andere Dreierbande in der Besetzung Klavier, Bass und Schlagzeug, das Trio des estnischen Bassisten Raimond Mägi, forderte beim Zuhören. Mit einer Mischung aus Jazz, Improvisation, Progrock und experimentellen Sounds, abenteuerlichen und mutigen Klangbildern.

Weitere Infos unter

https://jazzkaar.ee/en/

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