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Sitar-Virtuose trifft Jazz-Bassist

Recklinghäuser Ratskeller

Recklinghausen, 14.07.2013
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Stefan Pieper

„Es ist wie ein Raum, den ich nicht verlasse, aber in dem ich mich völlig frei bewege“ sagt der junge indische Sitarspieler Deepsanker Battacharjee, wenn man ihn nach seinem künstlerischen Selbstverständnis fragt. Wenn er in die klassische Musik Nordindiens eintaucht, schwingt nach eigenem Bekunden ganz viel persönliche Empfindung auf den 21 Saiten seines Instruments. Und wenn seine hochvirtuosen Finger die Saiten in sphärische Schwingungen versetzen, dann will er vor allem eine Beziehung zu seinem Publikum herstellen.

Das Stimmen der Instrumente geht im Recklinghäuser Ratskeller fließend in die improvisierte Konzertdarbietung über. Die Bünde auf dem Griffbrett werden justiert, legen die Tonskala fest. Ebenso stimmt Yama Karim die Tonhöhe seiner Tablas, die Tablas sind eigentlich kleine Pauken sind, da sie im Gegensatz zu Schlagzeug-Trommeln eine regelmäßige Eigenschwingung haben. Und schon lebt sie - eine intensive Rhetorik, die sich zwischen dem hypnotischen Saitenspiel und der perkussiven Klangrede auf den Tablas entfaltet. Yama Karim erzeugt mit Fingern und Handballen diese treibenden Aktzente und Bassfrequenzen. Deepsankers extrem steigerungsfähiges Sitarspiel besticht vor allem durch seine intensiven dynamischen Kontraste. Mal lässt er hauchzarte Töne leuchten, aber traktiert die Saiten auch so, dass es regelrecht rockt und das Publikum sich längst in einen unwiderstehlichen Sog hineingezogen fühlt.

Ein stationärer Bordunton wirkt wie ein fliegender Teppich, auf dem sich das schier endlose Geflecht aus Variationen und Auszierungen ausbreitet. Abstrakt wirkt dies keineswegs - sondern meist berückend melodiös und von tiefer Lyrik getränkt! Zugunsten bildhafter Wirkungen streut Deepsanker Battacharjee auch so manche Erläuterung ein. Etwa: „Die Figuren, die ich gerade spiele, stehen für die Unterhaltung eines verliebten Jungen Mädchens und eines Jungen“. Unglaublich, welch differenzierte Ausdruckswelt allein aus einer einzelnen (und immer nur einstimmigen!) Tonsskala hervorgehen kann! Und dann steigt noch ein Session-Musiker spontan ins Spiel ein: Der Recklinghäuser Bassist Stefan Werni hört sich in die Klangwelt der Inder hinein und improvisiert spontan dazu. Modaler Jazz funktioniert ja kaum anders als die indische Klassik, was dieses aufregende Stegreif-Experiment beweist.

Veranstalter Tom Klatt, der das Netzwerk Creative Outlaws betreibt, hatte sich an diesen Abend über die begeisterte Unterstützung von Ratskeller-Betreiber Henning Prinz gefreut. Und es kam zuhauf ein begeisterungsfähiges, teilweise von weit her angereistes Publikum.

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