Bild für Beitrag: Simon Nabatov | „electroacoustic extensions“
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Simon Nabatov

„electroacoustic extensions“

Köln, 08.06.2013
TEXT: Stefan Pieper | FOTO: Kurt Rade (Archiv)

Ein eineinhalb stündiges Klavier-Solokonzert was man so selten erlebt hat. Auf der Bühne steht ein einsamer Flügel, abgenommen mit sechs! Mikrophonen. Auf dem Flügel liegen keine Noten, sondern nur ein Tablet, angeschlossen an einen Laptop, der rechts daneben steht. Es haben sich ca. 30 Zuhörer in Konzertraum des Lofts eingefunden, für unter der Woche und noch dazu einer der ersten Sonnentage des Jahres eine durchaus respektable Anzahl.

Die Bühne betritt ein sichtlich nervöser Simon Nabatov, der heute sein neues Solo-Projekt „electroacoustic extensions“ vorstellt. Nabatov ist ein regelmäßiger Gast im Loft, ob als Sideman, mit eigenen Projekten von Solo bis Quintett oder um seine CDs dort aufzunehmen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass er sein neuestes Projekt genau hier vorstellt.

Für sein neuestes Projekt hat es sich mit dem Komponisten und Soundartist Hans W. Koch zusammengetan, mit dem er in monatelang auf diesen Abend hingearbeitet hat. Nabatov spielt Klavier, Koch hat die elektronischen Effekte programmiert. Dadurch wird das Ganze, obwohl Nabatov alleine auf der Bühne agiert, effektiv vom Solo- zum Duo-Projekt.

Es erklingen die ersten Klaviertöne. Simon wiederholt mit der rechten Hand immer wieder dieselben zwei Töne in verschiedener Rhythmik. Mit der Linken drückt er auf dem Tablet herum. Zunächst passiert nicht viel, aber mit der Zeit verändert sich der Klavierton immer weiter, am Ende klingt es ein wenig wie ein leicht verstimmtes Röhrenglockenspiel. Das ist einer von vielen elektroakkustischen Effekten, die man an diesem Abend noch hören wird. Es handelt sich dabei nicht um gewöhnliche Effekte, wie man sie oft hört. Kein simples Delay (Wiederholung des Tons, wie oft und wie lange kann man selbst wählen), keine einfache Verzerrung. Es handelt sich dabei um speziell fürs Konzert gewissenhaft programmierte und gewollt eingesetzte Effekte.

Dieses Arbeiten mit der rechten Hand am Klavier, der Linken am Tablet, dem rechten Fuß auf dem Klavierpedal, dem Linken auf einem Volumenpedal, erfordert großes Multitasking.
Nabatov gelingt dies aber durchweg sehr gut, obwohl es auch für ihn das erste Mal ist, dass er das live auf einer Bühne vorführt. Er wechselt zwischen ruhigen Passagen, bei denen er die Effekte wirken lässt, und hoch energetischen Abschnitten, in denen Simons Virtuosität am Klavier aufblitzt.
Das was er spielt, wirkt frei improvisiert. Es steckt aber mit Sicherheit mehr Vorbereitung dahinter, als man auf den ersten Blick meinen würde. Das stellt man spätestens an den Stellen fest, an denen Nabatov vorher aufgenommene Samples abspielt, die durch Verwendung verschiedenster Klangfilter einmal wie ein Klavier klingen, das durch ein Grammophon abgespielt wird, auf der anderen Seite aber auch komplett weg vom Klaviersound gehen.

Das Konzept „electroacoustic extensions“ wird auf eine gewisse Weise gnadenlos durchgezogen. Natürlich gibt es auch Phasen, in denen das Klavier nur als Klavier erklingt, aber die Anwesenheit der elektoakkustischen Effekte ist doch allgegenwertig. Ich selbst habe nach zehn verschiedenen Effekten aufgehört zu zählen und das war ca. bei der Hälfte des Konzerts. Daher wirkt es auf eine gewisse Wiese so, als ob man auf jeden Fall versuchen wollte, alle programmierten Effekte auch zu benutzen. Das ist aber auch verständlich, da jeder Effekt langwierig und mit großer Sorgfalt entwickelt wurde.
Eine etwas komische Situation kam nach dem ersten Stück auf. Nabatov machte eine kurze Pause und die Zuschauer wussten nicht ob sie klatschen sollten oder nicht. Das lag aber meiner Meinung nach daran, dass gebannt zugehört wurde. Danach machte Simon keine Pausen mehr zwischen den Stücken. So wusste man bis zum Ende nicht, wie die Musik bei den Zuschauern ankommt. Aber der Applaus am Ende war dann sehr ausgiebig.

Musikalisch war das Konzert sicherlich nur etwas für den erfahrenen Hörer von Improvisierter Musik, denn das Konzert kam bis auf die Zugabe „Sunrise Twice“ ohne klassische „Lieder“ mit eingängigen Melodien aus. Die Klangflächen bildeten am Donnerstagabend im Loft die Melodien.
Ich kann Simon Nabatovs neuestes Projekt „electroacoustic extensions“ nur weiterempfehlen, denn es ist zwar keine Musik, die ich mir jeden Tag anhören würde, aber es ist für jeden Musikliebhaber eine Klangerfahrung, die er einmal gemacht haben sollte.

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