Sebastian Reimann Quartett präsentierte „Hommage à Stéphane“
Open Air Release Konzert am Jazzkeller
TEXT: Dr. Michael Vogt | FOTO: Jazzclub Hürth
1983 hatte Violinist Sebastian Reimann noch die Gelegenheit gehabt, Geigen-Legende Stéphane Grappelli live im Konzert zu erleben. Es sollte ein Erlebnis sein, das seine weitere Karriere prägen würde. Unter dem Motto Swing experience – Hommage à Stéphane konnte Reimann jetzt auf Einladung des Jazzclubs Hürth zusammen mit seinem Sebastian Reimann Quartett eine ganz besondere Premiere aus der Taufe heben...
Inspiriert von der Musik, die Stéphane Grappelli ab den 1970er Jahren zelebrierte, hat die Formation eine CD aufgenommen, die am 16. September unter dem Titel „Hommage à Stéphane“ erscheinen wird. Exklusiv konnte sich das Hürther Publikum im Open-Air-Release-Konzert am Jazzkeller bereits zwei Wochen vorher einen Eindruck davon machen, wie das klingt.
Elegant swingende Nummer
Da das Wetter sich endlich wieder von seiner sommerlichen Seite zeigte, war die Stimmung auf dem Hof hinter dem Jazzkeller bereits vor dem Konzert bestens: „Endlich kann man nach langer Pandemie-Pause Musik wieder live erleben“, schwärmte eine Besucherin. Entsprechend erwartungsvoll wurde das Quartett schon bei seiner Ankunft auf der Bühne beklatscht. Im schicken roten Jackett mit schwarzem Revers begrüßte Geiger Sebastian Reimann die Gäste und führte auch im weiteren Verlauf des Abends moderierend durch das Programm, das es sich zum Ziel gesetzt hatte, Stéphane Grappelli nicht zu imitieren, aber den Geist seiner Musik einzufangen.
Zunächst begannen Sebastian Reimann (Geige), Manfred Billmann (Piano), Sven Jungbeck (Gitarre) und Max Schaaf (Bass) mit taumelnden Harmonien und leidenschaftlichen Geigenklängen, die unverkennbar an große ungarische Meistergeiger wie Ferenc Sánta erinnerten, bevor sich die Musiker brillant die elegant swingende Nummer „Afternoon in Paris“ (John Lewis) vornahmen. Ein intelligentes Spiel mit der Handschrift zweier Interpreten betrieb Reimann in „Bossa pour Didier“. In dem Stück, das Grappelli für Didier Lockwood schrieb, wechselte Reimann von der balladenhaften Lässigkeit Grappellis zu der temporeicheren Interpretation Lockwoods, ohne dabei auch nur eine Sekunde lang den Faden zu verlieren.
Bach-Zitate
Als Komponist präsentierte Reimann sich in „Grappelli Swing 2020“, einem Stück, das rhythmusbetont und gypsybeschwingt den Bogen in die 1930er schlug, als Grappelli mit Django Reinhardt im „Quintette du Hot Club de France“ sprichwörtlich Jazz-Geschichte schrieb. Reimann gab seinen Musikern im Laufe des Abends immer wieder Raum, um solistisch zu glänzen. So eröffnete Sven Jungbeck in „If I Had You“ (Shapiro, Campbell, Connelly) mit träumerisch dahingestreuten Harmonien und Arpeggien, in die sich auch Zitate aus Johann Sebastian Bachs Cellosuite Nr. 1 einschlichen. Nat King Coles größten Hit „Straighten Up And Fly Right“ überführten die Musiker schlüssig in eine instrumentale Version, die dem Pianisten Manfred Billmann eine tragende Funktion zusprach.
Mit musikalischen Feinheiten und sichtlichem Spaß entführten die Musiker in zwei Kompositionen Grappellis in die nostalgische Welt des französischen Films: „Valse du passé“ entstand für Louis Malles „Milou en Mai“ („Komödie im Mai“), „Les valseuses“ für das gleichnamige Werk von Bertrand Blier, das auf Deutsch unter dem Titel „Die Ausgebufften“ bekannt ist. Das Thema Kino klang auch an, als das Quartett Musik aus dem Streifen „King of the Gypsies“ anstimmte, die Grappelli live während der Filmaufnahme eingespielt hatte. Einen Ausflug in die Klassik unternahm das Ensemble mit Edward Griegs Norwegischem Tanz Nr. 2, in den Reimann mehrstimmiges Spiel, Anklänge an Antonio Vivaldi und Zitate aus Griegs Peer Gynt-Suite einfließen ließ.
Zeit für Künstler immer noch schwierig
Grappelli als Arrangeur inspirierte Reimann zu einer energiegeladenen Fassung von „Undecided“ (Robin, Shavers). Dass Grappelli sich in der Spätphase seiner Karriere stärker populären Nummern zuwandte, zeigten die Musiker mit Billie Joels Song „Just The Way You Are“, in dem sich Max Billman auch einmal als Sänger präsentierte. Für Grappellis Wandelbarkeit standen am Ende des Konzerts auch die Funk-Einflüsse, die dieser mit großer Spiellust in seine Interpretationen des Jazz-Standards „Love for Sale“ (Cole Porter) eingebracht hatte. Vor der Zugabe, die sich das Publikum fleißig erklatscht hatte, bedankte sich Reimann nicht nur bei seinen Mitmusikern. Er dankte auch ausdrücklich dem Jazzclub dafür, an das Projekt geglaubt und diese Premiere ermöglicht zu haben. Außerdem hob er hervor, dass die CD-Aufnahme ohne ein Künstlerstipendium im Rahmen der Corona-Hilfen des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW unmöglich gewesen wäre. Dass die Zeit für Künstler derzeit immer noch schwierig ist, unterstricht Reimann, indem er verriet, dass das Konzert in Hürth erst das vierte seit Beginn der Pandemie gewesen sei. „Es war aber auch das schönste“, fügte er mit einem Schmunzeln hinzu.
Latin-Jazz mit einem Schuss Weltmusik
Günter Reiners, Vorsitzender des Jazzclubs Hürth, freute sich über diese Anerkennung: „Dass Sebastian unsere Rolle für die Kultur betont und hervorhebt, dass schon mein Vorgänger Peter Schmitt-Sausen sich aktiv für seine Musik und die Kultur eingesetzt hat, macht mich natürlich stolz“, ließ Reiners im Anschluss an das Konzert wissen. „Uns ist es wichtig, alles dafür zu tun, damit für den Jazz auch in der Krise nicht das Licht ausgeht. Deswegen entwickeln wir unermüdlich Konzepte, die Veranstaltungen coronakonform ermöglichen. Am Freitag, den 10. September geht es erstmals wieder in den Hürther Jazzkeller mit Swing-Guitars cologne mit dem Tribute to John (Lennonn. Wir freuen uns auf viele Gäste, die Anzahl bleibt bei 40 reduziert!“
Nächster Termin:Freitag, 10.09.2021 20:00 Uhr „Swing Guitars Cologne“
Tribute to John Lennon
Ort:Hürther JazzkellerHermülheimer Straße 12-14
50354 Hürth
das kleingedruckte
Der Jazzclub weist darauf hin, dass die am Tag des Konzerts geltenden Hygiene- und Sicherheitsbestimmungen zu erfüllen sind. Die Veranstalter bitten zu beachten, dass nur Musikfreunde teilnehmen können, die eines der drei Gs (geimpft, getestet oder genesen) erfüllen. Immunitätsnachweise bzw. gültige Corona-Tests sind entsprechend vorzuhalten. Für den Jazzclub geht in allen Fällen die Sicherheit vor.