Bild für Beitrag: Schlichtweg atemberaubend | Snow Jazz Gastein 2012
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Schlichtweg atemberaubend

Snow Jazz Gastein 2012

Bad Gastein, 28.03.2012
TEXT: Christoph Giese | FOTO: Josef Maier

Wenn es ihm gefällt, spürt man das, sieht man das. Sepp Grabmaier ist mit Leib und Seele dabei, wippt mit, tanzt mit. Und dazu hatte der umtriebige und hochsympathische Macher des „Snow Jazz Gastein“ jede Menge Gelegenheiten bei der elften Ausgabe seines einzigartigen Festivals. Einzigartig, weil es die ganze Region, das Gasteiner Tal in den österreichischen Alpen, eine Autostunde südlich von Salzburg gelegen, mit einbezieht. So finden die Konzerte nicht nur im Sägewerk in Bad Hofgastein statt, sondern auch in diversen Hotels und oben auf dem Berg vor ausgewählten Skihütten. So rockten an einem supersonnigen Tag auf gut 1.600 Metern Höhe vor der Jungerstube am Stubnerkogel, die man als Nicht-Skifahrer nur mit einer allerdings tollen Fahrt mit Gondelbahn und Sessellift erreicht, „Düsenfried & the Stuffgivers“, eine ziemlich hippe Truppe aus Oberösterreich mit dem Frontmann Max „the Sax“ Eckelmaier. 100% Funk, „supertight“, ganz gemäß dem Titel ihrer aktuellen CD, hatte die Band im Angebot, immer auf den Punkt gespielt – die vielen Skifahrer verlängerten da ihre Pause an der Skihütte gerne, um zuzuhören.

Das war ein Volltreffer im Programm. Sepp Grabmaier hat sich eben Gedanken gemacht, welche Band er wo spielen lässt. So platzierte er den in Deutschland eher selten live zu erlebenden US-Tenoristen Walt Weiskopf mit hochsolider österreichischer Rhythmusgruppe im vollbesetzten und engen, aber mit Bibliothek und kleiner Bar ausgestatteten, sehr gemütlichen Keller des Hotel Kärnten in Bad Hofgastein. Und Weiskopf brillierte als feuriger Improvisator, der -fest in der Tradition verwurzelt- sich auch auf modernerem Terrain sicher bewegen kann mit seinem markanten Saxophonton. Nur einen Abend später präsentierte das Festival, das jedes Jahr mit einer thematischen Klammer aufwartet, dieses Mal war es „The Music Of NYC“, mit Eric Alexander im Europäischen Hof in Bad Gastein den nächsten Tenorsaxofonisten aus den USA. Im Quartett mit dem Trompeter Jim Rotondi, dem italienischen Organisten Renato Chicco und dem österreichischen Schlagzeuger Bernd Reiter blies sich Eric Alexander stil- und kraftvoll durch eine von Orgel und Schlagzeug ständig nach vorne getriebene Musik. Großartig die Version der eigentlichen Ballade „Cry Me a River“, die in der Bearbeitung von Jim Rotondi als groovig-treibende Nummer verblüffte und mitriss. Eher etwas für konzentriertes Zuhören war dagegen das „VoCello“-Projekt des aus Kamerun stammenden und in New York lebenden Vokalakrobraten Gino Sitson, der mit Sängerin und Perkussionistin Charenée Wade sowie Sängerin und Cellistin Jody Redhage zu mitternächtlicher Stunde im schicken Designhotel Miramonte in Bad Gastein die hohe Kunst der gemeinsamen Stimmenimprovisation zelebrierte – in einem Spannungsfeld aus zeitgenössischer Kammermusik und afrikanisch kolorierten Gesangslinien.

Auch ein lauter Club für feierwütige Après Ski-Jünger im Zentrum von Bad Gastein ist regelmäßiger Spielort vom Snow Jazz-Festival. Mit „groovejam“ wollte der österreichische Trompeter Bastian Stein mit seinem Quartett auf die zuvor aufgelegte Disco-Musik vom DJ antworten. Und siehe da, das frohgelaunte Partyvolk tanzte rasch zu den groovigen Beats und Rhythmen und peppigen Versionen auch von Nummern eines Miles Davis oder Herbie Hancock. Der inzwischen in Wien beheimatete amerikanische Saxofonist Andy Middleton, der zum Festivalauftakt noch in Joe Lockes New Explosion Band mitwirkte, lieferte spontan ein paar feine Soli zu diesem brodelnden, Spaß bringenden Soundkosmos.
An den beiden Festival-Wochenenden stand das Sägewerk im Mittelpunkt des Geschehens. Der gemütliche Jazzclub war früher tatsächlich ein Sägewerk und gehörte dem Vater von Sepp Grabmaier. Der Sohnemann hat das Gebäude in Eigenregie umgebaut und dem Live-Jazz in der Region seit dem Jahre 2000 eine echte Heimat gegeben. Ray Andersons „Pocket Brass“-Band brillierte im Sägewerk mit genial funktionierender und damit das Publikum unweigerlich um den Finger wickelnden Verbindung von New Orleans-Marschmusik und Avantgarde-Klängen; Pianist Craig Taborn spielte sich einen Abend später solo ziemlich meditativ und fast aufreizend minimalistisch ein, bevor er mit seinem Trio deutlich Schwung aufnahm und mit rhythmischer Finesse und frischen Ideen eine ganz eigene Klaviertrio-Ästhetik vorführte. Und das Jacky Terrasson Trio beendete zehn abwechslungsreiche Festival-Tage ebenfalls mit einer Demonstration an Inspiration und Spielwitz. Wie es Jazzstandards zerlegte, sie mit Pophits eines Michael Jackson oder Amy Winehouse auffüllte, in einem Strudel von Tönen auf Abwegen musizierte, um dann irgendwann wieder zu manchmal auch einem neuen Thema zurückzukehren, das war schlichtweg atemberaubend. Und es war ein fabelhafter Schlusspunkt hinter einem Festival mit einem persönlichen, ja familiären Ambiente in einer Region, die von der Natur verwöhnt und schon deshalb eine Reise mehr als wert ist.

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