Ruhr Jazz Joined Forces
Doppeltes Duo stimmt aufs RuhrJazzFestival ein
TEXT: Heinrich Brinkmöller-Becker | FOTO: Heinrich Brinkmöller-Becker
Ein Doppelkonzert der besonderen Art ist im Bochumer Kunstmuseum zu erleben: Die bekannte Reihe Klangbilder mit ihrem Organisator Martin Blume versteht sich traditionell als Begleitung zur jeweiligen Ausstellung im Kunstmuseum, quasi als gegenseitige Befruchtung der beiden Kunstformen Musik und Bildende Kunst. Dieses Mal gesellt sich zu dem Duo mit dem Schlagzeuger und Perkussionisten und dem Posaunisten Conny Bauer ein weiteres Duo: Julie Sassoon am Piano und Willi Kellers am Drumset. Möglich ist dieses doppelte Duo-Konzert durch eine Kooperation der Initiative Aktuelle Musik Metropole Ruhr (AMMR) von Martin Blume mit der Jazzwerkstatt Wuppertal von Ulli Blobel – geplant sozusagen als Auftakt der Organisatoren zur Neuauflage des RuhrJazzFestivals im kommenden April. So kann das Motto des Abends „Ruhr Jazz - Joined Forces“ kaum verwundern.
Der Abend beginnt mit dem Duo von Julie Sassoon und Willi Kellers. Dieser schlägt Töne auf einem Spielzeug-Xylophon und der Base-Drum an, Phrasen auf dem Klavier folgen im Diskant, dazu gezupfte Piano-Saiten. Der Einstieg klingt verstörend, es folgt ein abrupter Wechsel zu einer neuen Spielidee. Das Klavier arbeitet in vielen Passagen repetitiv, fast minimal music-artig. Die Dynamik wechselt. Der Dialog kommt nach Drum-Kaskaden zur Ruhe, um sich aus einer neuen kleinen Piano-Phrase zu einem neuen Schwung zu sammeln, perkussives Tastenspiel geht über zu einer eher impressionistischen Sequenz, zu der Willi Kellers pfeift und sein Spiel-Zeug ideenreich einsetzt. Eine Kaskade setzt ein mit einfachem auf- und absteigenden Motiv auf dem Piano, die Kadenz wird durch die Wiederholung und den Gesang bzw. das Pfeifen des begleitenden Drummers beschwörend, ja schamanenhaft. Es folgt eine tastendes Verharren der beiden Instrumente, das zu einer neuen Sequenz überleitet. Willi Kellers bedient sich neben dem Schlagzeug einer Mundharmonika, Julie Sassoon spielt dazu Akkorde, angedeutete Motive und repetitive Muster, unaufhörlich begleitet von einer agilen und abwechslungsreichen Perkussion. Das zweite Set des Piano-Drum-Duos beginnt mit einer schrillen Flötenweise von Willi Kellers und angeschlagenen und gezupften Saiten des Pianos. Auf einem konstanten Basston generiert Julie Sassoon im Diskant zitherähnliche Töne, die Willi Kellers mit subtilem Schlagwerk begleitet. Eine mythisch-dichte Atmosphäre zieht die Zuhörer in den Bann.
Ein sehr einfühlsamer und sich gegenseitig befruchtender Dialog von Julie Sassoon und Willi Kellers mit vielen verblüffenden klanglichen und spielerischen Einfällen, fragilen und kraftvollen Sequenzen und facettenreichem Spiel.
Einen ähnlichen Eindruck erwecken anschließend Martin Blume und Conny Bauer, wenngleich ihre musikalischen Mittel und Stilistiken sich von ihren Vorgängern unterscheiden. In drei Sets und einer Zugabe interagieren sie auf gleichbleibend hohem Energielevel, quasi ohne abzusetzen. Conny Bauer mit seiner warm klingenden Bassposaune erzählt unaufhörlich die unterschiedlichsten Geschichten, seine Blastechniken sind dabei schier unerschöpflich. Das Solo-Instrument erweitert seine Ausdrucksmöglichkeiten durch mehrstimmige Multiphonics, durch Zirkularatmung, durch Tonhöhen-Wechsel. Die narrative Linearität erfährt durch Martin Blume s Dauereinsatz seiner Sticks, Besen, Glocken, Ketten und anderer Mittel eine spannungsgeladene und energetische rhythmische und klangliche Grundierung. Die perkussiven Mittel sind puristischer als die von Willi Kellers, aber nicht minder effektiv, subtil und impulsgebend in der Interaktion mit dem Posaunisten.
In der Gegenüberstellung erfährt das Publikum zwei spannende Facetten der improvisierten Musik. In der Tat: Gebündelte Kräfte sammeln neue Energien und setzen diese frei. Eine rundum gelungene Einstimmung auf das RuhrJazzFestival.